Verwirrung nach Wahlen in Albanien

Einige formale Fragen sind auch jetzt noch unklar: Wie werden die umstrittenen 40 Parlamentssitze ausgezählt? Und ist das Referendum über die Monarchie überhaupt bindend?  ■ Aus Tirana Barbara Oertel

Zumindest einige Schauspieler im ersten Akt des albanischen Wahltheaters freuten sich: Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die, mit rund 500 Beobachtern vor Ort, den Wahltag nach eigenen Angaben gut über die Bühne gebracht hatte. Und der Chef der Sozialisten, Fatos Nano, dessen Partei sich nach derzeitigen inoffiziellen Ergebnissen in der ersten Runde der Parlamentswahlen am letzten Sonntag mindestens 63 von 115 Mandaten sichern konnte. „Diese Wahlen sind von außerordentlicher Bedeutung. Es wird hier eine Gesellschaft von freien Bürgern geben, die sich nicht mehr von anderen Nationen in Europa unterscheiden wird. Ab jetzt beginnt eine neue Zeit“, sagte Nano.

Neben solch optimistischen Botschaften waren aber auch schärfere Töne zu vernehmen. So verkündete der Sprecher des königlichen Hofes, Abedin Mulosmani, daß nach seinen Informationen 60 Prozent der Wähler am Sonntag bei einem gleichzeitig abgehaltenen Referendem für die Wiedereinführung der Monarchie gestimmt hätten. „Wir haben aber auch Hinweise auf Manipulationen. Alle Parteien, die sich daran beteiligen, müssen mit unserem Widerstand rechnen“, sagte er.

Nicht nur der Ausgang des Referendums erhitzt die Gemüter. Experten streiten jetzt auch über die Frage, ob die Volksabstimmung überhaupt einen rechtlich bindenden Charakter hat. Im Zweifel muß das künftige Parlament entscheiden. Im Vorgriff auf die Ergebnisse redete Nano Klartext: „In Albanien ist es nicht mehr möglich, sich des Staates zu bemächtigen, weder für eine Partei noch für eine einzelne Person, sei sie nun König oder Präsident.“

Diese Äußerung war auch auf Staatschef Sali Berisha gemünzt. Bereits am Montag hatte er die Niederlage seiner Demokratischen Partei eingestanden. Von seinem Rücktritt jedoch, der vor allem vom aufständischen Süden gefordert wird, sagte er nichts. Vielleicht wird der Kardiologe Berisha bald nicht mehr am kranken Albanien herumdoktern, sondern am OP-Tisch eines Krankenhauses stehen. Dieser Fall dürfte dann eintreten, wenn die Sozialistische Partei mit ihren Koalitionspartnern eine Zweidrittelmehrheit im Parlament gewinnt. Dann könnte nicht nur die Verfassung geändert, sondern Berisha, dessen Mandat im Jahre 2002 ausläuft, auch vom Parlament abgewählt werden.

Damit die Rechnung von Nano aufgeht, müßte geklärt sein, nach welchem Schlüssel die 40 Sitze, die über das Verhältniswahlrecht vergeben werden, verteilt werden. Bislang stand nur fest, daß die Parteien mindestens 2 Prozent der Stimmen erhalten müssen, um berücksichtigt zu werden. Einen Passus des Wahlgesetzes, wonach von diesen 40 Sitzen 30 automatisch den kleineren Parteien vorbehalten sein sollten, kippte das Verfassungsgericht letzte Woche. Das Gericht begründete dies mit einem Verstoß gegen das Prinzip der Chancengleichheit. Gestern nachmittag saßen die Verfassungshüter erneut zusammen. „Wir hoffen, daß noch heute eine Entscheidung fällt“, sagte Dauland Dedja, Mitarbeiter der Zentralen Wahlkommission, gegenüber der taz. Dann hätten die AlbanerInnen zumindest in diesem Punkt Klarheit. Und das immerhin schon zwei Tage nach dem ersten Wahlgang. Kommentar Seite 10