: Bund zahlt, damit sich's rechnet
Die umstrittene ICE-Verbindung Nürnberg–Erfurt wäre ohne Milliardenzuschüsse nicht rentabel, so die Bahn AG. Alternativen nicht beachtet ■ Aus Berlin Gudrun Giese
Geld hat die Bundesregierung zwar nicht, doch spendabel zeigt sie sich manchmal trotzdem. Zum Beispiel gegenüber der Deutschen Bahn AG: Die bekommt 90,5 Prozent der Kosten für die seit langem umstrittene ICE-Verbindung durch den Thüringer Wald aus den Bundeskassen bezahlt.
Rund acht Milliarden Mark sollen zwischen Erfurt und Nürnberg verbaut werden; der Verkehrsausschuß des Bundestages fällte Ende Juni endgültig die Entscheidung, an der Trasse durch den Thüringer Wald festzuhalten. Nur die exakte Finanzierungsvereinbarung zwischen Bahn und Bundesverkehrsministerium steht noch aus. Sogenannte bauvorbereitende Maßnahmen sind ohnehin schon im April vergangenen Jahres gestartet worden; über 100 Millionen Mark sind dafür bereits verbaut.
Der eigentliche Neubauabschnitt liegt zwischen Erfurt und Ebensfeld, einer Gemeinde zwischen Bamberg und Coburg. Der Abschnitt Ebensfeld – Nürnberg wird lediglich viergleisig ausgebaut und mit neuen Tunnel- und Brückenbauwerken ausgestattet. Die ICE-Verbindung ist Bestandteil des Verkehrsprojektes Deutsche Einheit Nummer 8, das die Fahrzeit auf der 514 Kilometer langen Verbindung zwischen Nürnberg und Berlin auf 2 Stunden und 40 Minuten verkürzen soll.
Während ein Großteil der bereits begonnenen Ausbauarbeiten auf den bestehenden Streckenabschnitten unstrittig ist, kritisieren Oppositionsparteien ebenso wie örtliche Umweltinitiativen den Abschnitt zwischen Erfurt und Nürnberg. Ein noch weitgehend intaktes Landschaftsgebiet werde hier zerstört, obwohl das Verkehrsaufkommen nicht hoch ist.
In der Sitzung des Verkehrsausschusses Ende Juni gestand Ulf Häusler, im Bahn-Vorstand für den Geschäftsbereich Netz zuständig, ein, daß sich die Neubaustrecke für die Bahn AG nur bei einem Baukostenzuschuß durch den Bund in Höhe von 90,5 Prozent rechnet. Während der Sprecher des Bundesverkehrsministeriums, Franz-Josef Schneiders, solche Baukostenzuschüsse als „durchaus üblich“ bezeichnet, verweist der bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Albert Schmidt auf die Besonderheit: „Bisher galt die ICE-Neubaustrecke über Nürnberg – Ingolstadt – München mit einem vereinbarten Baukostenzuschuß von 22 Prozent schon als relativ unwirtschaftlich.“
Bei der Bahn AG wiederum verweist Konzernsprecher Reiner Latsch darauf, daß Bundesstraßen und Autobahnen zu 100 Prozent über Bauzuschüsse des Bundes finanziert würden. „Demgegenüber erwirtschaftet die Bahn bei jeder Strecke einen eigenen Anteil zur Kostendeckung.“
Albert Schmidt setzt seine Hoffnungen derweil auf den akuten Geldmangel der Bundesregierung. „Es darf als fraglich gelten, daß es vor dem Jahr 2000 überhaupt eine ernsthafte Bautätigkeit geben wird“, sagte er nach der Sitzung des Verkehrsausschusses. Bis dahin jedoch könnte eine andere politische Mehrheit in Bonn das Neubauprojekt noch stoppen, meint er.
Bündnisgrüne, SPD und PDS hatten jeweils Anträge mit Alternativvorschlägen zu der kostspieligen ICE-Trasse gestellt. Statt eine Neubaustrecke zu bauen, die den bevölkerungsreichen Raum Gera/ Chemnitz/Zwickau umfährt und nicht erschließt, sollten vorhandene Strecken wie die Sachsenmagistrale Nürnberg – Görlitz, die Mitte-Deutschland-Bahn zwischen dem Ruhrgebiet und Dresden sowie die vorhandene Strecke Nürnberg – Erfurt über Suhl ausgebaut werden, forderten die Oppositionsparteien.
Ohne Erfolg. Selbst Teile der SPD stimmten im Verkehrsausschuß mit der Koalition gegen den beschleunigten Ausbau der Mitte- Deutschland-Bahn, den die Bündnisgrünen und die sächsische CDU verlangt hatten. Auf parlamentarischem Weg sei der Bau der ICE- Strecke Erfurt – Nürnberg nicht mehr zu kippen, so die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Elke Ferner. Ob nach den Bundestagswahlen vom Herbst 1998 im Falle einer rot-grünen Mehrheit das Projekt gestoppt werde, sei ebenfalls fraglich. Das werde davon abhängen, wieviel Geld bis dahin in den Streckenbau geflossen sei beziehungsweise welche Regreßforderungen von seiten der Baufirmen dann eventuell auf den Bund zukommen könnten.
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