■ Die Tankerhavarie vor Tokio wäre vermeidbar gewesen
: Doppelte Wände mit einfachem Sinn

Geiz, gepaart mit Beschiß, zahlt sich nur selten aus. Das mußten gestern auch die Vorstände der Reederei Nippon Yusen erfahren. Denn ihre in der Bucht von Tokio havarierte „Diamond Grace“ ist kein abgeschriebener Seelenverkäufer. Erst 1994 wurde der Tanker von der japanischen Mitsubishi-Werft in Nagasaki im Auftrag der Nippon Yusen gebaut. Einwandig, versteht sich. Ist schließlich billiger. Das jedoch erstaunt. Denn im selben Jahr – am 6. Januar 1994 – trat ein international gültiges Abkommen in Kraft, das für alle Tankerneubauten zwingend Doppelwände vorschreibt. Die Japaner haben sich also in den ersten Tagen des neuen Jahres mächtig ins Zeug gelegt, um die „Diamond Grace“ noch vor dem Abkommen auf Kiel zu legen. Im Zweifelsfall reichen da einige Stahlplatten, um den Kiel anzudeuten.

Das rächt sich nun. Denn eine Havarie in der dichtbesiedelten Bucht von Tokio wird die Reeder nicht nur Milliarden Yen für die Aufräumarbeiten und Entschädigungen kosten. Die Ölkatastrophe im maritimen Hausflur Japans wird die Diskussion um Öltransporte und Umweltstandards neu entfachen. Eine Diskussion, die Reeder und Erdölgesellschaften fürchten wie die Robbe den Ölteppich. Das Image der Branche ist eh angekratzt, gilt sie doch – zu Unrecht zwar – als größter Meeresverschmutzer.

Nein, derartige Havarien veranlassen Politiker aufgrund des öffentlichen Drucks und der Emotionen bei Ansicht eines ölverschmierten Kormorans zu Umweltschutzgesetzen. Der ehemalige US-Präsident George Bush unterlag 1990 den Fernsehbildern aus Alaska. Nach dem Tankerunglück der „Exxon Valdéz“ unterschrieb er ein Gesetz, nach dem in US-amerikanische Häfen und Hoheitsgewässer nur Tanker mit doppelten Wänden einlaufen dürfen.

Ein Schütteln ging durch die Erdölbranche und ihre Reeder. Denn dieses Gesetz brachte den internationalen Markt durcheinander. Plötzlich konnten nur noch moderne und gut gerüstete Gesellschaften den US-Markt bedienen. Der Umweltschutz veränderte damit die Kostenkalkulationen und Zukunftsszenarien der ganzen Branche. In Japan steht ein derartiges Gesetz aus. Nachdem aber nun schon der zweite Tanker innerhalb von sechs Monanten die japanischen Gewässer verdreckt hat, könnte sich die Regierung Hashimoto besinnen. Das bedeutete eine etwas sicherere Zukunft weltweit: für Meerestiere und Werftarbeiter. Ulrike Fokken