„Eigenständig bleiben“

■ HEW-Vorstand Manfred Timm im taz-Interview zum Aktienverkauf und den Perspektiven des Atomausstiegs

taz: Herr Timm, die Satzung der Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) schreibt einen Atomausstieg vor, sobald er „wirtschaftlich vertretbar“ist. Was bedeutet das?

Manfred Timm: Wir interpretieren das so, daß eine Alternative zur Stromerzeugung durch Kernkraft wirtschaftlich gleichwertig oder besser sein muß.

Wenn Sie preiswertere Alternativen haben, müssen Sie aus wirtschaftlichen Gründen nach geltendem Aktienrecht sowieso umsteigen. Da drängt sich der Eindruck auf, daß sich an der Unternehmenspolitik der HEW rein gar nichts ändern würde, wenn es den viel gepriesenen Ausstiegsbeschluß in der Satzung nicht gäbe.

Dazu kein Kommentar.

Der durch den HEW-Anteilsverkauf an PreussenElektra (Preag) gefestigte Verbund beider Unternehmen schwimmt in Strom-Überkapazitäten. Trotzdem gibt es – der HEW-Satzung erneut zum Trotz – kein konkretes Ausstiegsszenario.

Weil es auch keine Überkapazitäten im stark auf Kernkraftnutzung basierenden Grundlastbereich gibt.

Wagen Sie eine Prognose, wann die HEW konkret aus Brunsbüttel aussteigen werden?

Da wir uns nach wirtschaftlichen Kriterien zu richten haben, ist das nicht möglich.

Sind Sie vielleicht auch deshalb so vorsichtig, weil ganz andere Herren über die HEW-Unternehmensstrategien entscheiden, wenn sich Preag und Sydkraft erst das HEW-Aktienpaket von weiteren 25 Prozent abgeholt haben, das in der Hamburgischen Landesbank schon auf sie wartet?

Ich gehe davon aus, daß sich die Vorschläge des Vorstands, wenn sie wirtschaftlich sinnvoll sind, bei Aktionären durchsetzen, egal wie diese heißen. Das gilt auch für einen ökonomisch begründeten Stillegungsvorschlag des Vorstands.

Konkret: Was wird sich in der Unternehmenspolitik der HEW verändern, wenn Preag und Sydkraft die angestrebte Mehrheitsbeteiligung an den HEW erhalten?

Wir haben bei diesem Verkauf das vorrangige Ziel, unsere Eigenständigkeit zu erhalten. Diese geht bei einer Beteiligung von mehr als 50 Prozent nur eines Aktionärs zwangsläufig verloren. Man kann aber nicht einfach die Aktien von Preag und Sydkraft addieren, denn ich glaube nicht, daß Sydkraft ein willfähriger Erfüllungsgehilfe der Preag ist. Wir halten ja bekanntlich auch Sydkraft-Anteile und werden diese Beteiligung gegebenenfalls noch erhöhen, um auch dort Einfluß ausüben zu können.

An diesem Punkt müssen wir Ihnen ein dickes Lob zollen: Mit dem unabgesprochenen Kauf der Sydkraftanteile haben Sie der Preag sehr klar zu verstehen gegeben, was Sie unter einer eigenständigen HEW-Unternehmenspolitik verstehen. Das Kartellamt hat deutlich gemacht, daß es wegen der dadurch gewachsenen Verflechtung zwischen Preag, HEW und Sydkraft den Verkauf der HEW-Aktien noch kritischer sieht. Sie haben der Preag also gewaltig in die Suppe gespuckt.

Das Wort „unabgesprochen“kann ich nicht gelten lassen. Im Grundsatz war der Anteilserwerb schon vor Monaten mit den neuen Aktionären abgesprochen. Die Details, wie Zeitpunkt, Preis und Größenordnung des Pakets, konnten wir nur mit wenigen Aufsichtsratsmitgliedern absprechen. Die konkrete Entscheidung mußte der Vorstand treffen, da an der Börse jedes Verkaufsangebot nur wenige Stunden aufrechterhalten wird.

Die Preag war trotzdem verschnupft über den Alleingang.

Da muß ich ausdrücklich widersprechen.

Es liegt ja nicht in Ihrer Verantwortung, sich um die Defizite des Hamburger Haushalts zu kümmern. Vor diesem Hintergrund: Was halten Sie davon, die HEW-Anteile als Volksaktie breit zu streuen, um so unternehmenspolitisch selbständig zu bleiben?

Als HEW-Vorstand kann ich mir nur eine breite Streuung wünschen. Wir wissen aber, daß es andere Zwänge gibt.

Was wäre die Alternative?

Neue Kaufinteressenten. Das bei der Landesbank geparkte Aktien-paket kann ja auch an ein anderes Unternehmen gehen. Wir haben den Wunsch, daß auch andere Interessenten bieten können, wenn über die jetzt geparkten 25 Prozent endgültig befunden wird. Wir wären glücklich, wenn bei der Plazierung dieses Aktienpaketes auch Rücksicht auf die Unternehmenspolitik der HEW genommen würde und nicht nur die Maximierung des Verkaufserlöses zählt.

Fragen: Marco Carini

undAchim Fischer

Morgen in der überregionalen Ausgabe der taz: Manfred Timm zur Liberalisierung des Strommarktes und zum Atomausstieg mithilfe von Gaskraftwerken.