Quantensprung auf deuzösich

■ Wie Arte seit fünf Jahren in Europa mentale Schranken bricht

Man muß schon ziemlich hartgesotten sein, um Arte nicht zu mögen. Selbst Pop-Ideologen murmeln hinter vorgehaltener Hand Anerkennung zum Themenabend „Sound“. Einschalten tun sich die Leute trotzdem selten. Über Arte spricht man lieber.

So war das auch auch am Mittwoch abend im Bremer Institut Francais. 48 Stunden hatte der Programm-Beirat zuvor getagt, zum Abschluß wollte er mit der Öffentlichkeit noch ein bißchen die fünf ersten Jahre aufarbeiten. Nicht mit Videoclips natürlich und nicht mit einer großleinwandigen Direktschaltung in die Zentrale Straßburg. Die Kenn-Farbe des Senders Arte ist logozentristisch. Nicht mal eine klitzekleine Kamera gab es zum vertraulichen Hineinblinzeln.

Und trotzdem wars höchst unterhaltsam. Klaus Wenger, der Geschäftsführer von Arte Deutschland, erzählte aus der Geschichte seines Senders – aus fünf Jahren deutsch-französischer Kooperation. „Ein Quantensprung“, sagt Wenger: „Eine Bildsprache zu finden, die in beiden Ländern verstanden wird“. Ausschlaggebend für diesen Quantensprung sei in der konstituierenden Sitzung vor fünf Jahren wohl der „Käferkopf“gewesen: der Riesling. Die Schwierigkeiten kamen später. Bei der Vermittlung von Zentralismus und Förderalismus beispielsweise: „Anfangs kamen zwei Franzosen und saßen 12-15 Deutschen gegenüber“. Und bei den pekuniären Modi: In Deutschland läuft Arte mit einem festen Satz von 75 Pfennig pro Nase über die Rundfunkgebühren. Die andere Hälfte des Etats muß in Frankreich in jeder Haushaltsdebatte neu diskutiert werden. „Also starrt die französische Geschäftsleitung von Arte zwischen Juni und September auf die Einschaltquoten – und die Deutschen denken an Zensur“. Hauptproblem von Arte aber scheinen die verschiedenen Fernseh-Gewohnheiten von Deutschen und Franzosen zu sein. Darüber diskutierte der Programm-Beirat während seiner Quartalssitzung unter dem diesjährigen Vorsitz der Bremer Galeristin Katrin Rabus. „Stundenlang!“, sagt Katrin Rabus, die den ProgrammBeirat nach Bremen holte.

Das Problem ist, daß in Deutschland keiner mehr vom „Tatort“auf dem Ersten um halb neun zu den Arte-Nachrichten umschaltet. Oder danach zum Themenabend. Beispielsweise. In Frankreich paßt das. Da arbeitet man abends länger. Und ißt später. Und setzt sich um neun Uhr vor den Fernseher. Métro-Boulot-Dodot läuft in Frankreich im Arte-Takt. Sollte dies der Grund sein, warum Frankreich fünf bis zehn mal mehr Arte guckt als Deutschland? Eine technische Lösung des Problems böte sich dann an, sagten die Koordinatoren des Senders: Arte sendet einfach zeitverschoben – in Deutschland eine halbe Stunde früher. ,Nicht gut', sagte dazu jetzt in Bremen nach langer Beratung der Programm-Beirat. Arte sei ein Symbol. Dafür nämlich, sagt Klaus Wenger, daß sich in Europa die mentalen Schranken durchbrechen lassen. Wenn dieses Symbol durch Zeitaufschub gespalten wird, könnte dies für Arte zum Spaltpilz überhaupt werden. Mit der Empfehlung des Programm-Beirats ist eine Entscheidung zwar noch nicht getroffen – die trifft die Mitgliederversammlung –, aber auch die Koordinatoren wollen lieber noch ein bißchen nachdenken. Und weiter an den Strukturen arbeiten. ritz