Das Beste bleibt Edgar

■ Im Grunde nicht ganz von dieser Welt: „Edgar“, ein Film von Karsten Laske

„Wieviel von sieben Äpfeln müssen sich zwei Leute teilen, damit jeder genau die Hälfte erhält?“ fragt Anna, um Edgar als geistig Zurückgebliebenen zu entlarven. Doch er läßt sich nicht einschüchtern. „Alle“, antwortet er schlagfertig und hat damit ja auch recht.

Im Grunde ist Edgar nicht ganz von dieser Welt. Er macht alles etwas langsamer als andere und hat mit Mitte Zwanzig noch die Phantasie eines Fünfjährigen. Andererseits reagiert er intensiver und einfühlsamer auf seine Mitmenschen als jeder Erwachsene. Diese eigenartige Person, die in ihrer Gemächlichkeit und Naivität etwas provozierend Widerspenstiges hat, packt der Regisseur Karsten Laske in einen hektischen, konsumgeilen und kalten Alltag und beobachtet mit der Kamera das lautlose Aufeinanderprallen dieser beiden Welten. Die Reaktionen von Edgars Umgebung auf den Sonderling reichen naturgemäß von Erstaunen über Befremden bis zu Spott und Häme.

Edgar lebt, nachdem er seinen Job in einem Fleischbetrieb verloren hat, mit seiner Ratte in einer kleinen Dachwohnung. Die gestreßte Mutter (Heide Kipp) hat kaum Zeit für ihn, nur die Großmutter (Helga Göring) akzeptiert ihn so, wie er ist. In der als Mohr verkleideten Studentin Anne (Anja Marlene Korpiun), die für Schokolade wirbt, glaubt Edgar die Märchenfigur des kleinen Muck zu erkennen. Es entwickelt sich eine Freundschaft, die Anne aber schnell zu eng wird. Zu allem Überfluß ist Edgar, der inzwischen in der Abfallverwertungsanlage arbeitet, auch noch der Rücksichtslosigkeit seiner Kollegen schutzlos ausgeliefert.

Regisseur Karsten Laske erzählt die Geschichte seines hilflosen Helden ohne Hast, in einfachen und klaren Bildern und Gott sei Dank auch mit einigem Humor. Der Film hechelt nicht einer übergreifenden Spannung hinterher, sondern nimmt sich Zeit für den genauen Blick auf einzelne Szenen und Dialoge, auch für das Porträtieren anderer Personen wie zum Beispiel der unglücklichen Mutter Edgars. Damit überzeugt er trotz seiner etwas überambitionierten Symbolik und wird wirklich interessant.

Das Beste an dieser Tragikomödie bleibt Edgar selbst. Die Gestalt mit ihrer gewitzt-trotzigen Haltung verhindert, daß der Film insgesamt ins Sentimentale abgleitet, und das grandios selbstverständliche Spiel von Lars Rudolph macht den herumstolpernden tumben Toren unwiderstehlich, auch wenn er noch soooo laaangsam ist. Mara Borchardt

Termine: siehe cinemataz