Bischöfe: Kirchenasyl ist legitim!

Evangelische und katholische Würdenträger erklären sich heute mit dem Kirchenasyl solidarisch. Sie üben zugleich Kritik an der Ausländerpolitik und fordern eine Integrationspolitik  ■ Aus Berlin Annette Kanis

Die Kirchen in Deutschland werden heute zu den Herausforderungen von Migration und Flucht deutlich Stellung nehmen. In einem gemeinsamen Wort wollen sich Bischof Klaus Engelhardt, Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, und der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz, Karl Lehmann, hinter die Praxis des Kirchenasyls stellen. Unter dem bibelgestützten Titel „... und der Fremdling, der in deinen Toren ist“ veröffentlichen die Kirchenoberen ihre Kritik am derzeitigen Asylrecht. Und: Sie wollen Deutschland als Einwanderungsland verstanden wissen.

Mit der offiziellen Aufforderung zur Integration reagieren die Kirchen auf die Serie von fremdenfeindlichen Anschlägen der vergangenen Wochen, von denen sich einige als direkte Drohung gegen das Kirchenasyl gerichtet hatten.

„Für die Gemeinden, die Flüchtlinge beherbergen, ist es extrem wichtig, daß sich jetzt auch die obersten Gremien schützend hinter sie stellen“, so Martin Kapp, Geschäftsführer der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) „Asyl in der Kirche“. Das Kölner Netzwerk organisiert seit 1993 den Kontakt zwischen den evangelischen und katholischen Gemeinden, die in ihren Häusern Asyl gewähren – momentan sind es 52. In Pfarrhäusern, Mitarbeiterzimmern und Gemeinderäumen haben dort 150 Menschen Zuflucht gefunden. Nur wenige Quadratmeter bleiben zum Leben, denn außerhalb dieser geschützten Räume droht die Abschiebung.

„Die Bereitschaft, Flüchtlinge aufzunehmen, hat nach den Lübecker Anschlägen besonders in den norddeutschen Gemeinden zugenommen“, umschreibt Martin Rapp die praxisorientierte Reaktion des Kirchenvolkes. Ein deutliches Signal der Politiker stehe jedoch immer noch aus. Mit der Gewährung eines dauerhaften Bleiberechts für die algerische Familie, die in der Gemeinde von Pastor Günter Harig untergebracht ist, würde die Zivilcourage der Organisatoren anerkannt. „Damit könnten die Politiker endlich ein öffentlich ernstzunehmendes Zeichen setzen“, so Rapp zur taz.

Daß die Befürworter des Kirchenasyls die Situation der aufgenommenen Flüchtlinge richtig einschätzen, zeigt die hohe Anzahl der Abschiebungen, die in den vergangenen vier Jahren schließlich verhindert werden konnte. Eine erneute Überprüfung der Fluchtschicksale durch die Ausländerbehörde hatte in 70 Prozent der Fälle ergeben, daß politische Verfolgung, Gefahren für Leib und Leben oder andere Abschiebehindernisse vorlagen. Im Durchschnitt leben die akut von Abschiebung Bedrohten etwa zwei Jahre im Kirchenasyl; der längste Fall dauerte bislang knapp fünf Jahre.

Theologisch stützen sich die christlichen Asyl-Engagierten auf die Beistandspflicht für Menschen in Not. Rechtlich können sie sich auf Artikel 4 des Grundgesetzes berufen, in dem die Glaubensfreiheit festgelegt ist – wie auch das Bundesverfassungsgericht 1971 über das Spannungsverhältnis zwischen Grundrechten und Strafrecht befand. Seitdem ist das Selbstbestimmungsrecht der Kirche in einem entsprechenden Urteil verankert.

Doch das schützt nicht immer vor Eingriffen der Polizei. „Kirche ist kein rechtsfreier Raum“, so Martin Rapp. Meist hilft nur, auf die Toleranz der Behörden zu setzen. Den Organisatoren kommt dabei oft die Scheu zugute, die Polizisten wie Politiker davon abhält, gewaltsam in kirchliche Räume einzudringen. Zwischen 1993 und 1995 wurden etwa zehn Prozent der 124 erfaßten Kirchenasyle gewaltsam beendet. Doch immer wieder versuchen es die Behörden mit Einschüchterung. Allein im vergangenen Jahr wurden 20 Pfarrer wegen angeblichen Verstoßes gegen das Ausländerrecht strafrechtlich verfolgt: Beihilfe zum illegalen Aufenthalt konnte ihnen nicht nachgewiesen werden.

Für die Organisatoren ist die Diskussion um Recht oder Unrecht des Kirchenasyls, rechtsfreie Räume und illegale Handlungen längst abgehakt. Besonders zur beginnenden Hochzeit des Kirchenasyls kurz nach der Gesetzesänderung haben Politiker wie Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) versucht, den Sonderstatus der Kirchengemeinden anzugreifen. Für Wolf-Dieter Just, den Vorsitzenden von „Asyl in der Kirche“, macht sich allein der Staat schuldig. „Es bleibt schlicht rechtswidrig, Flüchtlinge mit Gefahr für das Leben abzuschieben.“