Only champagne

■ Sehr jung und wunderbar hochnäsig: Streifzug durch ein Schloß voller Models auf der Pariser Männermodemesse

Diesmal hatte selbst Jean- Paul Gaultier von dem Pariser Chaos die Schnauze voll. Er floh nach Mailand und zeigte dort seine Sommerkollektion für die Männermode 1998. Er hat auch Grund, sich zu ärgern. In Paris hat die Chambre Syndicale die Prêt-à-porter-Schauen für die Männer zeitlich mit den Haute-Couture- Schauen zusammengelegt. „Das ist so dumm gemacht, so schlecht organisiert! Die Medien werden nur von der Haute Couture sprechen, nicht von den Männern“, schimpfte Gaultier. Gemach! Zumindest in der taz soll in den nächsten vier Tagen an dieser Stelle von den Männern die Rede sein.

Leicht wird einem das allerdings nicht gemacht. Bei Comme des Garçons war es so überfüllt, daß die Hälfte der Journalisten nichts sehen konnte, und bei Miyake kamen Dutzende von Journalisten trotz Einladung gar nicht erst rein. Ein freundlicher Brite erklärte in französisch, englisch und japanisch, daß die Statik des Instituts du Monde Arabe mehr Menschen leider nicht verkraften könne. Es ist mir ein Rätsel, daß ein Mann fließend drei Sprachen sprechen kann und trotzdem unfähig ist, eine Modenschau kompetent zu organisieren.

Givenchy hat vorgemacht, wie das geht: In einer prächtigen alten Stadtvilla im 10. Arrondissement konnten die Journalisten durch die Räume streifen und sich in Ruhe die Models betrachten, die dort lässig herumhockten. Eine Gruppe sitzt im Salon um einen runden Tisch – Champagnergläser in der einen Hand, Pokerkarten in der anderen und Zigarillos im Mund. Einer trägt einen schokoladenfarbenen Anzug, über den sich wie ein Gitter weiße Karos ziehen, und ein dunkelbraunes Hemd. Die Hose ist gerade, schmal und ohne Bundfalten, die Jacke ganz leicht tailliert, mäßig breit in den Schultern und dreiknöpfig. Das Revers ist entsprechend hoch angesetzt. Ein anderer trägt ein braunes Leinenjackett, das eine Schulterpasse hat und drei große aufgesetzte Taschen, in die Golffalten gearbeitet sind. Dazu ein dunkelrotes glänzendes Baumwollhemd und helle, schmale Baumwollhosen.

Dann kommt das Musikzimmer. Zwei junge Herren spielen etwas Klassisches auf dem Klavier und dem Cello. Nicht gerade seelenvoll, aber fehlerfrei. Zwei spielen Schach, und an einem Tisch läuft ein Spiel, das ich nicht kenne. Vier Männer bewegen mittels kleiner Hupen eine Holzkugel über ein rundes Brett. Hier sind die Farben Mango, Sonnengelb und Hellgrün. Im Arbeitszimmer trägt man Blau, im Bad Weiß.

Trotz der meist hellen oder fruchtigen Farben, die an Sommerferien erinnern, haben die schmalen Anzüge eine gewisse städtische Eleganz. Sie sehen aus wie auf den Leib geschneidert. Immerhin hat Chefdesigner Alexander McQueen sein Handwerk in der Londoner Savile Row gelernt. Das Material ist entweder Wolle, in die etwas Mohair gewebt ist, so daß das Tuch leicht glänzt, Leinen oder Seide. Die Jacketts haben alle mindestens drei Knöpfe.

Lässig hingelümmelt, zarte Muskeln

Eine gewisse Lässigkeit verdankt sich hauptsächlich dem Hingelümmeltsein der Models. Einige sitzen auf dem Fußboden und haben die Schuhe ausgezogen, die Jacketts sind geöffnet ebenso wie die obersten Hemdenknöpfe. Die jungen Männer sind schlank und haben gerade so viel Muskeln, wie man vom Golfspielen bekommt. Es ist alles sehr jung und wunderbar hochnäsig. Man streift durch die Räume wie ein Tourist, ein Wesen von niederer Kaste, das die Schloßbewohner höflich ignorieren.

Einmal gerät dieser Eindruck jedoch leicht ins Wanken. Während ich mir die Gruppe im Salon betrachte, tritt ein Ober an den Tisch und schenkt aus einer Magnumflasche Pommery nach. „Do you have bear?“ fragt ein Model und zieht sein Glas zurück. „Only champagne“, antwortet der Ober. Anja Seeliger