Gerüchte um Sarkuhi

Der Staatsanwalt soll für den in Teheran inhaftierten Literaten bereits die Todesstrafe beantragt haben  ■ Von Thomas Dreger

Berlin (taz) – Lanciert Irans Geheimdienst Gerüchte über den Prozeß gegen den in Teheran inhaftierten Schriftsteller Faradsch Sarkuhi? Gestern verbreiteten Menschenrechts- und Journalistenorganisationen eine Erklärung, wonach der Staatsanwalt die Todesstrafe gegen den Regimekritiker beantragt haben soll. Doch Diplomaten in Teheran und Sarkuhis Familie wissen davon nichts.

„Wir wenden uns angesichts der Gefahr, die das Leben Faradsch Saruhis bedroht, mit einem dringenden Appell an die Öffentlichkeit“, heißt es in dem von Reporter ohne Grenzen, der Internationalen Föderation der Menschenrechtsligen, der französischen Menschenrechtsliga und dem Internationalen Schriftstellerverband unterzeichneten Schreiben. Reporter ohne Grenzen bitten zudem Bundeskanzler Helmut Kohl, Außenminister Klaus Kinkel, Frankreichs Premierminister Lionel Jospin und Staatspräsident Jacques Chirac um Hilfe für Sarkuhi. Er habe keinerlei Informationen über ein Todesurteil, sagte Sarkuhis in Schweden lebender Bruder Ali gestern auf Anfrage der taz. Allerdings verweigerten die iranischen Behörden der Familie inzwischen jegliche Auskünfte über den Fall. Mittlerweile hätten die Angehörigen eine Anwältin in Teheran gefunden, die bereit sei, Sarkuhi zu vertreten. Jedoch gebe es keine Anzeichen, daß die Verteidigerin zugelassen werde.

Im Bonner Auswärtigen Amt reagierte man mit Erstaunen auf die Erklärung von Reporter ohne Grenzen und Co. Nach Erkenntnis der deutschen Botschaft im Iran habe der Prozeß gegen Sarkuhi noch nicht angefangen, erklärte eine Sprecherin der taz. Aus diplomatischen Kreisen in Teheran ist zu erfahren, die iranischen Behörden hätten sich bislang noch nicht einigen können, ob Sarkuhi vor einem „normalen“ oder einem Revolutionsgericht der Prozeß gemacht werden soll. Derzeit werde der Regimekritiker von der Staatsanwaltschaft verhört.

Gerüchte über ein angebliches Todesurteil gegen Sarkuhi kursieren in Teheran seit Anfang der Woche. Abwechselnd hieß es, ein entsprechendes Urteil werde gesprochen, sei bereits gesprochen und möglicherweise bereits vollstreckt worden. Hintergrund sei der Vorwurf der Spionage. Bestätigen ließen sich diese Informationen jedoch nicht. Die iranische Führung gibt keine Informationen zum Stand des Verfahrens.

In der von Reporter ohne Grenzen und Co. verbreiten Erklärung wird angedeutet, die Gerüchte könnten vom iranischen Geheimdienst verbreitet worden sein: „Eine durchaus übliche Praxis, um die Reaktion der Weltöffentlichkeit zu testen.“ Freunde Sarkuhis teilen diese Einschätzung – denn, so meint ein Kollege: „Im Iran tauchen manchmal Nachrichten auf, die erst später Realität werden.“