Kein Herz für Betrug von Kardiologen

In Hannover wird gegen fünf Herzspezialisten ermittelt, die Katheter billig gekauft, aber zum vollen Preis abgerechnet haben. Kassen beklagen zu hohe Sätze für Behandlung in Krankenhäusern  ■ Von Jürgen Voges

Hannover (taz) – Ein Ermittlungsverfahren gegen fünf Herzspezialisten aus Hannover haben die gesetzlichen Krankenkassen zum Anlaß genommen, Rechnungen für Herzkatheteruntersuchungen als „überhöht und unwirtschaftlich“ zu kritisieren. Nach ihrer Auffassung wird den Kassen auch für Erweiterungen von Herzkranzgefäßen mit Hilfe von Ballonkathetern jährlich rund eine Milliarde Mark zuviel in Rechnung gestellt. Die überhöhten Kosten für solche Behandlungen entstünden aus den Festsätzen, die Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) 1995 festgelegt hat.

Die hohen Ausgaben für Katheteruntersuchungen in Krankenhäusern sind ärgerlich für die Kassen, aber legal. Illegal dagegen ist, was die Staatsanwaltschaft Hannover in den Abrechungsbüchern einer kardiologischen Gemeinschaftspraxis vermutet. Zwei der beschuldigten Herzspezialisten sollen den Kassen regelmäßig für Herzkatheter den vollen Listenpreis in Rechnung gestellt haben, obwohl sie die Geräte im Großpack eingekauft und dabei bis zu 50 Prozent Rabatt erhalten hatten.

Von den Krankenkassen dürften sich die Ärzte nur die tatsächlich entstandenen Kosten erstatten lassen, sagte ein Sprecher der hannoverschen Staatsanwaltschaft gestern. Die beiden Ärzte seien deshalb dringend des Betrugs verdächtig. Gegen drei weitere Ärzte aus der Gemeinschaftspraxis wird wegen Mittäterschaft ermittelt. Den Schaden für die Kassen vermutet die Staatsanwaltschaft in „Millionenhöhe“.

Strafanzeige gegen die Gemeinschaftspraxis hatte eine beim Bundesverband der Innungskrankenkassen angesiedelte Sonderarbeitsgruppe gestellt, die sich zentral mit Abrechnungsmanipulation befaßt. Der Bundesverband der Innungskrankenkassen rechnet für die kommenden Wochen mit weiteren Strafanzeigen gegen niedergelassene Kardiologen, kann die Gesamthöhe des Schadens, der durch Nichtmelden von Großeinkaufsrabatten entstanden ist, noch nicht beziffern. Von 1,5 Milliarden Mark, wie in Bild berichtet, kann allerdings nicht die Rede sein.

Aus den überhöhten Zahlungen für Katheteruntersuchungen in Krankenhäusern, die sich möglicherweise in einer Größenordnung von einer Milliarde Mark bewegen, kann man nach Auffassung des niedersächsischen Sozialministeriums den Kardiologen in den Krankenhäusern keinen Vorwurf machen. Die erheblich überhöhten Entgelte für diese Leistungen habe eine Studie des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Niedersachsen festgestellt, deren Ergebnisse die Innungskrankenkassen jetzt noch einmal in Bonn präsentiert haben. Den zu hohen Ausgaben der Kassen liege jedoch einfach ein Fehler im dem bisherigen Abrechnungssystem zugrunde, bei dem die zu erstattenden Kosten in festen Berechnungssätzen festgelegt würden, kritisierte die Sprecherin des Sozialministeriums.

Der Vorwurf überhöhter Zahlungen könne sich nur gegen Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer richten, auf den die hohen Festsätze zurückgingen. Die Sprecherin des niedersächsischen Sozialministerium verlangte deswegen, „die bisher üblichen Sonderentgelte oder Fallpauschalen durch Preisverhandlungen für diese kardiologischen Leistungen zwischen den Kassen und Krankenhausträgern zu ersetzen“.