Gelebt und wund

■ Katja Meier-Beer und Michael Biel im Michel

Es waren wohl nur 100 Menschen, die am Freitag ins Kellergewölbe des Michels kamen, um ein Konzert aus der Reihe „Michelbrot und Wein“– eine Veranstaltungsreihe, die junge Künstler fördert und von Restaurants gesponsert wird – zuzuhören. Der Applaus, den sie der Sängerin Katja Meier-Beer und ihrem Kompagnon, dem Marimbaspieler Michael Biel, zollten, zeigte auch, daß sie sich glücklich fühlten, bei einem schönen Abend dabeigewesen zu sein. „Lust der Sturmnacht“war die Chose betitelt. Tatsächlich hat die Sopranistin , deren Stimme gerade in den tieferen Lagen eine Gänsehaut bereitet, vor längerer Zeit schon Maurice Ravels jüdischen Trauergesang „Kaddish“gehört und sich geschworen: Um das Lied herum werde ich ein Programm machen.“Am Ende war es ein Reigen von Liedern (Granados, Scarlatti, Gluck, Fauré, Schumann), die sich darum rankten, daß ein junger Spanier der Liebe hinterherreist, lauter Vorwände eigentlich, dieses eine Lied Ravels singen zu können. Und wie sie es bringt, mehr noch: lebt. Bei diesem Trauergesang scheint sie nicht mehr zu entertainen und singt nicht mehr um den besten Ton. Was Meier-Beer andeutet, wenn sie ganz in der Melodie aufzugehen scheint, ist eine sängerische Kunst, die über das Handwerkliche hinausgeht. Sie scheint in diesen Minuten wirklich vor Trauer unzugänglich, wirkt wund und damit glaubwürdig, was sie trotz ihrer Jugendlichkeit jetzt schon mit Interpretinnen gemein hat, die ihr eine große Karriere (noch) voraus haben.

Lob auch Michael Biel, der auf seinem Riesenxylophon bewies, daß es für das klassische Liedgut keiner einzigen Geige bedarf. In der Kathedrale des Hamburger Bürgertums bedurfte es nicht vieler Ornamente um die Stimmung herum. jaf