"Das geht so auf keinen Fall!"

■ Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Heide Simonis über den Zusammenschluß von Kirch und Bertelsmann und die Gefahren für die Demokratie

taz: Als die Konzerne Bertelsmann und Kirch ihren Digitalfernsehpakt mit der Telekom verkündeten, gab es eine Menge Entrüstung – obwohl doch der Bundespräsident vor den „Bedenkenträgern“ bei der Digitalisierung gewarnt hatte, und Ihr Düsseldorfer Parteifreund Wolfgang Clement sagte, wer kritisiert, dem mangele es an Sachkenntnis. Auch Sie hatten Bedenken. Wollen Sie die Zukunft ausbremsen?

Heide Simonis: Es gibt bei jeder technischen Revolution die Verpflichtung gegenüber jenen, die sie ertragen oder erdulden müssen. Die, die sie genehmigen müssen, sind verpflichtet nachzuschauen, ob gegen bestehendes Recht verstoßen wird. Und besonders in diesem Fall ist es die Pflicht von Politik und Gesellschaft zu verhindern, daß Monopole entstehen.

Welche Probleme sehen Sie?

Ich frage mich, ob durch die Übereinkunft von Kirch und Bertelsmann plus dem Supergiganten Telekom ein wettbewerbsrechtliches Kartell entsteht. Und ob andere Veranstalter die Möglichkeit haben, bei der Entwicklung dabeizusein. Und schließlich frage ich nach dem, was das Bundesverfassungsgericht in acht Urteilen festgelegt hat: Bleibt die Meinungsvielfalt gesichert? Ich behaupte: nein. Ich habe überhaupt nichts gegen das digitale Fernsehen, aber es muß eine Bereicherung, nicht eine Beschneidung der Freiheit dabei herauskommen.

Sie haben in der vergangenen Woche mit Ihren Ministerpräsidentenkollegen beschlossen, daß es einen neuen Ordnungsrahmen für das Digital-TV geben soll.

Die Vorschläge unserer Rundfunkkommission und auch die der unabhängigen Konzentrationskommission KEK werden voraussichtlich in einen digitalen Rundfunkstaatsvertrag münden. Zu vielem, was jetzt von den drei Partnern zu hören ist – über die Verteilung der Kanäle oder über die Preise dafür – muß man sagen: Das geht so auf keinen Fall! Wenn die Unternehmen in aller Ruhe Geld verdienen wollen, sollen sie Käse verkaufen. Wenn sie aber Meinung machen, müssen sie sich an ein paar Regeln mehr halten.

Es gibt ja schon einzelne Vorschläge für einen Rahmen: Zum Beispiel den, die 30-Prozent- Grenze, die das Recht bezüglich des Marktanteils der Sender setzt, auch auf die Verteilung der Kabelplätze anzuwenden.

Der Gedanke aus dem Rundfunkstaatsvertrag gilt für mich auch beim digitalen Fernsehen. Wenn man einerseits die Konzernmacht bei Zeitungen, Film- und Senderechten mitrechnet, dann muß im Digitalen auch mitgerechnet werden, wie viele Kanäle jemand dort beansprucht, um andere zu blockieren.

Und das wäre ja bei dem jetzt geschlossenen Pakt der Fall?

Die unabhängige KEK muß medienrechtlich bewerten, ob das eine marktbeherrschende Stellung ist, und das Kartellamt und die EU-Kommission müssen es wettbewerbsrechtlich tun. Deshalb war ich sehr verwundert über die dilatorische Aussage der Minister Clement (NRW) und Wiesheu (Bayern), denenzufolge die Sache mit dem Kartellrecht vereinbar ist. Wer ausschließlich von Wirtschaftsrecht spricht, hat keine Ahnung.

Wenn nun Kirch und Bertelsmann, wie aus den Abmachungen hervorgeht, ihre Sport- und Filmrechte gemeinsam verwerten; wenn sie zusammen an der Technik teilhaben – müssen sie dann nicht auch konzentrationsrechtlich als eine Gruppe betrachtet werden?

Aus meiner Sicht ja. Man müßte sich aber vor der Bewertung noch einmal die Bücher ansehen. Und das wird die KEK tun. Wir wollen keinen behindern und haben mit den 30 Prozent im Rundfunkstaatsvertrag eine äußerst großzügige Grenze gesetzt. Wir wollen aber auch nicht, daß die etwas schnelleren und größeren den Markt dichtmachen.

Die Kartellwächter haben nach der Einigung heftige Bedenken angemeldet, aus der Politik war aber bislang wenig zu hören. Wie erklären Sie sich das?

Ich hoffe, daß zumindest die Landesmedienanstalten jetzt endlich anfangen, mit dem Instrumentarium zu arbeiten, das sie in der Hand haben. Denn sonst kann man ihnen nur sagen: Meine Herren, das war das Ende Ihrer Existenz. Wer das laufen läßt, hat den Markt und das Medienrecht aufgegeben. Dann werden die Konzerne alleine entscheiden, was sie wollen. Ein Beispiel dafür ist, wie die Telekom in einsamer Entscheidung einfach den Preis fürs Kabel anheben will.

Darf die Telekom das?

Ich meine nein. Ich verstehe das Monopolrecht so, daß dort, wo ein Monopolist etwas anbietet, zumal noch als quasi Staatsmonopolist, zumindest irgendeine Instanz kontrollieren muß. Ich habe die jetzige Situation nicht für möglich gehalten und versichere: Meine Landesregierung wird sich darum kümmern.

Die Länder haben in den letzten Monaten stets auf ihrer Medienkompetenz beharrt. Warum nutzen sie die so zögerlich, wenn Regulierung not tut?

Zwei bis drei Länder sind schon einmal durch die Standortsituation gebunden. Bei den anderen Ländern bin ich nicht so sicher, daß sie bei all dem Steuertrouble überhaupt begriffen haben, daß sich da nun ein wichtiges Feld auftut. Aber der Beschlußvorschlag für den digitalen Ordnungsrahmen kam in der letzten Woche von den Unionsländern. Es ist also nicht nur eine linke Spinnerin wie ich, die sich darum kümmert.

Auch die SPD ist vornehmlich in der Person von Herrn Clement in Erscheinung getreten, der den Digitalpakt mit aushandelte. Gibt es überhaupt eine gemeinsame SPD-Position?

Immerhin hat sich der Vorsitzende unserer Medienkommission, der Saarländische SPD-Fraktionsvorsitzende Reinhard Klimmt, sehr kritisch geäußert. Aber ich habe da im übrigen die Erfahrung gemacht, daß Medienpolitik niemanden interessiert, weil es auch eine sehr trockene Materie ist. Dabei ist sie eine der Grundlagen der Demokratie. Wenn man einem erlaubt, daß er die Medien beherrscht, dann kann er wie Rupert Murdoch in Großbritannien vor dem Wahlgang den Daumen für einen Kandidaten heben oder senken.

Interview: Lutz Meier