Auf Schnitzeljagd

■ Ausgeschüttete Zeichen, staubtrockene Ironie: Heimo Zobernigs "Raum Kunst MODERN Farbe Text" in Esslingen

Heimo Zobernig geht es, wenn es denn um Kunst geht, um das Ordnen von Strukturen. Und das beginnt bei seiner Esslinger Präsentation, der ersten Einzelausstellung des Österreichers in einem deutschen Museum, mit der Einladungskarte: linksbündiger schwarz gedruckter Text in neutraler Schrifttype, Name des Künstlers und des Instituts in Rot, keine weiteren Hervorhebungen. So ein radikaler Verzicht auf Werbung macht neugierig. Für die Eröffnung der Ausstellung hatte Zobernig einen skurrilen Einfall. Er las die Interpretation, die sich die Hausherrin der Villa Merkel, Renate Damsch-Wiehager zu seinen Arbeiten überlegt hatte, selbst. Damit war zumindest die „Geste der Selbstretrospektive“ eingelöst.

Das Foyer der Villa Merkel nutzte Zobernig für eine Wiederauflage seiner „Architekturskulptur“ für die Wiener Sezession 1995: mit neun großen Spanplatten gegen die spätklassizistische Innenhofarchitektur. Nur Eingeweihte, die von der Balustrade im zweiten Stock hinunterschauen, erkennen im Grundriß der rechtwinklig und diagonal verbundenen Platten die „Raumsignierung“ HZ97. Ob Einladungskarte, Einführungsrede oder die Veränderung der Raumarchitektur durch einen Einbau, für Zobernig sind es gleichwertige Aspekte bei der Thematisierung des Ausstellungsbetriebs.

„Ich lege alles offen, ich will nichts verrätseln. Es ist nicht meine Absicht, über Symbole eine Welt zu öffnen, zu transzendieren.“ Zobernig sagt's (in einem Gespräch mit Thomas Wulffen 1994) und bringt sein Transparent „Auto“ an die Esslinger Galeriewand, das er zuvor für den Monaco Grand Prix 94 über eine Straße in Nizza gespannt hatte. Was sich wie pure Nullinformation anhört, ist nach dem Umzug ins Museum entweder Erinnerung an einen alltäglichen Gegenstand oder die Fortsetzung eines Kunstgesprächs über die Buchstäblichkeit, die nach dem Verlust von Sinn und Bedeutung übrigbleibt. Leichter hat man es da mit den sechs schwarzen Buchstaben, die auf einem über sechs Meter langen Aluminiumträger das Wort „MUSEUM“ formen – eine Bild/Text-Tautologie, die dem Institut für die Dauer der Ausstellung eine Aura borgt.

Zobernig, der eine klassische Bildhauerausbildung hinter sich hat, stellt in seinen Arbeiten der letzten zehn Jahre die Frage nach den Bedingungen der Kunstproduktion. Wenn zum Beispiel in einem anderen Zusammenhang gezeigte Gegenstände in der Esslinger retrospektiven „Werkausschüttung“ noch mal auftauchen, dann scheint sich der Künstler auf einen Hochsitz zurückzuziehen, von dem aus er den Umgang mit seinen Objekten beobachtet. Ein Staubnetz für die Wiener EA-Generali Foundation, mit dem er 1994 eine ganze Fassade zum Werbeträger umfunktionierte, legt er jetzt als schlichten Materialhaufen vor die Füße, zusammen mit einigen Resten vom Frankfurter Projekt „Blauer Bauzaun“. Was einmal im öffentlichen Raum als Umdeutung funktionierte, ist beim Umzug ins Museum buchstäblich in sich zusammengesunken.

Die auffällige Nähe einiger Arbeiten zur Minimal-art hat bei Zobernig mehr den Charakter reiner Formkopie. Am schlüssigsten vorgeführt durch „5 geometrische Figuren, 5 Farben“ von 1987 und den dazugestellten Bistrotisch-ähnlichen Skulpturen von 1991. Ein Selbstzitat, das sich auf die Kopie der Farben beschränkt.

Den Vorzug visueller Plausibilität hat auch eine zweiteilige Arbeit von 1993. Drei Stellwände, die ungenutzt und leicht kippend wie Objekte im Raum stehen, kompromittieren die herkömmliche Ordnung des Ausstellungsbetriebs, die zwischen Kunstwerk und Vorführungsgerät streng unterscheidet. Dazu an der Wand zwanzig Bleistiftzeichnungen zum Thema Interpunktion – ein Zeichen pro Bild. Die regellose Hängung der Serie steht in krassem Widerspruch zur Regelhaftigkeit der Syntax.

Im Obergeschoß der Villa Merkel reihen sich Zobernigs Arbeiten zur Farbenlehre aneinander. Schlüssigster Beweis für die Abhängigkeit der Malerei von den Bedingungen des Lichtes: ein Chambre séparée, in dem Bilder von Albert Oehlen durch Rotlicht ihrer Farbigkeit entkleidet werden. Zobernigs beschwichtigender Kommentar zum Übergriff: „Der Raum bringt ja auch zum Ausdruck, ich mache meine Dinge, und der Albert macht seine Dinge, und beides kann unproblematisch zusammen koexistieren.“

Immer wieder fragt Zobernig danach, welchen Sinn es macht, sich einem universalen Ordnungsschema zu unterwerfen, wenn eigentlich nur die subjektive Auswahl für „Logik und Wertung“ verantwortlich ist. An die Wurzeln der Systemabhängigkeit rührt auch eine Diaschau, die die Buchstaben des Alphabets in richtiger Reihenfolge vorführt, und eine Folge zweistelliger Zahlen, die sich in gleichbleibendem Tempo über die Projektionsflächen von acht monitorähnlichen Kästen bewegen. Mal ist es die unperfekte Ausführung, mal ein Illusionismus am Rande, die Heimo Zobernig gegen die beiden fundamentalen Systeme einsetzt. Eine Ausstellung für alle, die schon immer gern auf Schnitzeljagd gingen. Dieses Mal geht es um das Auffinden von Paradoxien und undichten Stellen im Betriebssystem Kunst. Gabriele Hoffmann

Bis 20. 7., Öffnungszeiten: Di. 11–20 Uhr, Mi.–So. 11–18 Uhr