Kongos Urwald behält sein Geheimnis

Die UN-Menschenrechtler, die Morde an ruandischen Flüchtlingen durch Kabilas Truppen untersuchen sollten, reisen nach Streit mit der Regierung über ihr Mandat wieder ab  ■ Aus Kinshasa Andrea König

Das Vorbereitungsteam der UN-Kommission für Menschenrechte, das heute seine Untersuchungen in der Demokratischen Republik Kongo (Ex-Zaire) hätte aufnehmen sollen, ist unverrichteter Dinge aus der Hauptstadt Kinshasa abgereist. Enttäuschung stand dem Leiter des Teams, Georg Mautner-Markhof, am Freitag nachmittag ins Gesicht geschrieben: Die Aufnahme der Untersuchungen von angeblichen Massakern an ruandischen Flüchtlingen durch Laurent Kabilas „Allianz demokratischer Kräfte für die Befreiung des Kongo“ (AFDL) ist bis auf weiteres verschoben.

Auf einer Pressekonferenz in Kinshasa erklärte der zuständige Minister für Wiederaufbau, Etienne Mbaya, die Regierung wünsche sich, daß die Untersuchungen schnell aufgenommen würden. „Wir, die AFDL, haben nichts zu verbergen“, behauptete er. „Wir würden das Untersuchungsteam schon heute arbeiten lassen, wären da nicht die beiden Punkte, über die wir keine Einigung erzielt haben. Es gibt Dinge, die sich nicht ändern lassen.“ Das sind beschönigende Worte, denn die beiden strittigen Punkte sind grundsätzlicher Natur. Die Regierung Kabila will, daß der Zeitraum der UN-Untersuchungen, der sich gemäß des UN-Mandats von September 1996 bis zum 17. Mai 1997 erstreckt – also vom Beginn der AFDL-Rebellion bis zur Einnahme Kinshasas – ausgedehnt wird: Die Untersuchungen sollen mit dem 20. März 1993 beginnen, als auf Veranlassung der damaligen zairischen Regierung unter Mobutu die Vertreibungen von ruandisch-stämmigen Bewohnern der Ostprovinz Kivu einsetzten.

Zum zweiten lehnt die Regierung den zur Leitung der Untersuchung vorgesehenen Sonderberichterstatter der UN-Menschenrechtskommission, den Chilenen Robert Garreton, als befangen ab. Er habe die AFDL in seinen bisherigen Berichten vorverurteilt. In beiden Punkten hatte die UN-Delegation keinen Verhandlungsspielraum, so der Österreicher Mautner-Markhof, „weil das fixe Elemente in der Resolution der Menschenrechtskommission sind. Wir hatten keine Möglichkeit, Alternativlösungen vorzuschlagen.“

Faktisch hat die Regierung Kabila damit eine Untersuchung über mutmaßliche Massaker zumindest vorläufig verhindert. Verschiedene Stellen werfen den AFDL- Truppen vor, auf ihrem Vormarsch durch Zaire Zehntausende ruandische Hutu-Flüchtlinge massakriert oder in den Tod durch Hunger und Krankheit getrieben zu haben. Paul Stromberg, Sprecher des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, schätzt, daß von ursprünglich 1,1 Millionen ruandischen Flüchtlingen in Zaire heute 150.000 bis 200.000 nicht mehr aufzutreiben seien. Davon sind etwa die Hälfte in Nachbarländer gewandert, vom Rest ist nicht klar, ob sie tot sind oder sich in Gebieten aufhalten, die aufgrund anhaltender Kämpfe zwischen AFDL, ehemaligen Mobutu-Soldaten und Hutu-Milizen für Hilfsorganisationen nicht zugänglich sind. Gekämpft wird vor allem noch in der nordwestlichen Provinz Equateur, der Heimatprovinz Mobutus.

AFDL-Politiker erwidern auf die Massakervorwürfe, daß sich unter den Flüchtlingen bewaffnete Milizionäre befanden, und daß Hilfsorganisationen es versäumt hätten, die Zivilisten von den Milizionären zu trennen. „Alle tragen Verantwortung dafür, diese Probleme zu regeln“, sagt Mbaya. „In ihren internen Berichten geben humanitäre Organisationen alles zu, inklusive ihr Scheitern.“

Das macht eine Untersuchung nicht einfacher. John Mills, ein Mitglied des UN-Vorbereitungsteams, sagt: „In der gesamten Region herrscht seit Jahren eine Kultur der Straflosigkeit. Morde und Massaker wurden nicht bestraft. Anstatt daß sich die Demokratische Republik Kongo auf ein Fundament der Verantwortung baut, hängen nun die Anschuldigungen über der jungen Regierung wie eine dunkle Wolke.“

Daß die Regierung die Untersuchungen verzögern will, ist eine weitverbreitete Ansicht. Delegationsleiter Mautner-Markhof kann sich aber vorstellen, daß Teile des Untersuchungsmandats von der UNO neu diskutiert werden. So sei die personelle Zusammensetzung des Untersuchungsteams nicht im Mandat festgelegt. Und die Zeit dränge: „Die meisten angeblichen Massengräber befinden sich im tropischen Regenwald, und die Regenzeit wird bald einsetzen.“

In diplomatischen Kreisen nimmt man an, daß das internationale Interesse an den Menschenrechtsverletzungen im Laufe der Zeit einschlafen wird. Die UNO wäre damit möglicherweise nicht ganz unglücklich, denn das UNHCR bringt noch immer ruandische Flüchtlinge aus allen Landesteilen nach Ruanda zurück, und diese Repatriierungsaktionen will niemand gefährden. UNHCR- Sprecher Stromberg: „Wir können es uns nicht leisten, den Zugang zu den Flüchtlingen zu verlieren. Im Moment ist die Zusammenarbeit mit lokalen Behörden in einigen Provinzen sehr gut – sie informieren uns sogar, wo sich Flüchtlinge aufhalten. Wir arbeiten im Moment in allen Provinzen des Landes. Wir wünschen natürlich, daß die Menschenrechtskommission ihre Arbeit aufnehmen kann, aber wir müssen unsere eigene Operation weiterführen.“