Reaktorbaustelle Temelin international blockiert

■ Bau ist wirtschaftlich umstritten, zudem hat Tschechien keinen Platz im Endlager

Berlin (taz) – Seit gestern mittag blockieren an der tschechischen Baustelle des Atomkraftwerks in Temelin über 600 AKW-Gegner die Eingangstore und Zufahrtsstraßen. Weitere 500 Teilnehmer werden für die einwöchige Blockade erwartet. Die Polizei hielt sich zunächst zurück. Die Sicherheitskräfte des vom US-amerikanischen Unternehmen Westinghouse nachgerüsteten Atomprojekts wurden allerdings schon früh in Alarmbereitschaft versetzt.

Ein Sprecher des Prager Antinuklearbüros (Piano) erklärte, daß nur gewaltfreie Aktionen der international angereisten Atomgegner geplant seien. Dazu gehöre auch der Versuch, auf das Baugelände vorzudringen und Kühlturm-Aktionen zu starten. Aufgrund der Zwischenfälle im vergangenen Jahr, bei denen Bauarbeiter die Blockierer attackierten, wird die Umweltorganisation in diesem Jahr Barrikaden an den Zugangstoren errichten, um sich zu schützen. Die Aktivisten erwarten, daß die Polizei vor allem nachts in Blitzaktionen versuchen wird, die Blockade aufzulösen.

Der langjährige Protest gegen den Bau der zwei 1-000-Megawatt- Reaktoren sowjetischer Bauart (WWER 1000) richtet sich vor allem gegen das unsichere Konzept westlicher Sicherheitsnachrüstungen durch Westinghouse. Lediglich in Finnlands AKW Loviisa wurden bislang zwei Reaktoren mit Hilfe eines solchen Ost-West- Technologiemix ans Netz gebracht. Hier waren die Reaktoren nur halb so groß (495 MW). Deren Bauzeit betrug dennoch elf Jahre. Die unkalkulierbaren Kosten eines solchen Prototyps in Temelin, an dem bereits seit sechs Jahren gebaut wird, sind ein weiterer Grund für die Proteste der Atomgegner. Solange Temelin finanziert werde, fehle das Geld für Energiesparmaßnahmen und für die Entschwefelung fossiler Kraftwerke.

Da die tschechische Regierung ihre Finanzmittel auf den AKW- Bau konzentriert, mußte sie einen Weltbankkredit über 350 Millionen US-Dollar zur Errichtung von Entschwefelungsanlagen in nordböhmischen Braunkohlekraftwerken zurückweisen. Sie konnte ihren dafür nötigen Eigenfinanzierungsanteil nicht aufbringen. Auch die Internationale Energieagentur in Paris hat Einsparpotentiale in Tschechien errechnet, die Zweifel an der ökonomischen Notwendigkeit der Reaktorfertigstellung bestätigen. Unklar ist zudem bislang noch, wohin der Atommüll der Temelin-Reaktoren gebracht werden soll: Ein Endlager existiert in Tschechien nicht. Peter Sennekamp