Kriegsspiele auf Video

■ Wenn bei der Bundeswehr Soldaten für Bosnien üben

In einem Zelt mit der Aufschrift „Bundeswehr“ wirft sich ein Mann im Tarnanzug auf eine „Frau“. Vor dem Zelt warten Soldaten und essen. Eine Stimme ertönt: „Die Schlange ist lang. Alle Soldaten wollen auf eine Frau. Die Wartezeit überbrücken die Jungs mit einer warmen Mahlzeit.“

Es waren Soldaten der Bundeswehr, die mit der Videokamera diese inszenierte Massenvergewaltigung filmten. Diese Bilder sehen aus wie Anschauungsmaterial für die alte feministische These, daß sich im Militär beispielhaft Gewalt und Männlichkeit verschränken. Wo Männer sich unterwerfen und erniedrigen, gehört Gewalt gegen Frauen notwendig dazu. Das weiß jede, die schon einmal mit Soldaten einen Eisenbahnwaggon teilen mußte.

Nun aber sind die Soldatenphantasien in Bilder gefaßt und damit öffentlich. Und diese Bilder bedienen selbst wiederum Phantasien. Das ist wohl ein Grund, warum sie nun in den Medien einen ebenso lauten wie scheinheiligen Aufschrei erzeugen. Zitat Bild am Sonntag: „Es sind entsetzliche Bilder. Es sind Bilder der Schande.“ Dann folgen die Bilder.

Das Video zeigt aber mehr als Altbekanntes. Es entstand 1996 während der Vorbereitung auf einen Ifor-Einsatz in Bosnien. Es sagt viel über die Bundeswehr, wenn dieses Training einige Soldaten dazu bewegte, „völlig durchzudrehen“ und „Rambo-Szenen“ nachzustellen, so der Kommandeur der betroffenen Einheit. Die Soldaten überreagieren gewissermaßen im Namen der Bundeswehr, die Auslands- und Kampfeinsätze braucht – gerade nachdem das Ende des Kalten Krieges ihre Legitimation in Frage gestellt hat. Seit die Bundeswehr Auslandseinsätze plant, strömt auch eine neue Spezies von Soldaten in das deutsche Militär: harte Männer, die gern Rambo wären. Die Erfahrung mit Krieg, die der Bundeswehr in der Wirklichkeit „fehlt“, scheint in den Bildern als entgrenzte Gewaltphantasie wiederzukehren.

Das ist eine denkbar schlechte Voraussetzung für „Friedenseinsätze“ wie im ehemaligen Jugoslawien, bei denen Menschen, die unvorstellbare Grausamkeiten erlebt haben, Anspruch auf besonders sensiblen Umgang hätten. Nun sieht es aus, als würden sie demnächst Soldaten gegenüberstehen, denen sie als Folie für Gewaltphantasien dienen. Karin Gabbert

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