■ Mexiko: Die „versteinerte Revolution“ verliert an Macht
: Ende der Eiszeit

Fast zeitgleich mit dem „historischen“ Wahltag in Mexiko, bei dem die Statthalter der „versteinerten Revolution“ zum ersten Mal Macht an ihre Gegner abtreten mußten, lief das neue Dinosaurierspektakel von Steven Spielberg an. Mexikanische Karikaturisten griffen den Titel „The Lost World“ auf. Der Vergleich liegt nahe. Denn die be(un)ruhigende Gewißheit, daß die Dinge sich niemals wirklich ändern, scheint unwiderruflich verlorengegangen zu sein.

Neu ist nicht nur, daß die linke Opposition – zumindest in der Hauptstadt – so unmißverständlich gewonnen hat. Ein wirkliches Novum ist die Tatsache, daß dieser Sieg vom Regime so vergleichsweise reibungslos anerkannt wurde. Damit ist ein Bann gebrochen, der in seiner Tragweite mit der spektakulären Erhebung der Zapatistenguerilla vor drei Jahren vergleichbar ist. Wie das zapatistische „Ya Basta“ vom 1. Januar 1994 könnte auch der 7. Juli 1997 mit seiner Botschaft „Demokratie ist machbar“ als weiterer Meilenstein des zähen Demokratisierungsprozesses in die Geschichte des Landes eingehen.

Der neue Bürgermeister von Mexiko-Stadt kann die Erwartungen, die viele Wähler auf ihn als linkspopulistischen Rächer der Armen setzen, auch beim allerbesten Willen nicht erfüllen. Ohnehin wäre ein „revolutionärer“ Populismus das letzte, was Stadt und Land gebrauchen könnten. Besser wäre es, wenn an die Stelle des apokalyptischen Lebensgefühls wieder die Lust treten würde, die Stadt lebenswert zu gestalten, wenn keine Wunderwerke mehr „von oben“ erwartet, sondern „unten“ kreative Energien freigesetzt und Möglichkeiten ausgelotet würden.

Die politikmüden MexikanerInnen müssen begreifen und lernen, daß es in Zukunft wieder sinn- und lustvolle Politik geben kann. Tun sie dies, könnte das dann dem nahekommen, was Zapatistensprecher Subcomandante Marcos unter jener „anderen Politik“ versteht: die „Politik ihren Entführern, den Politikern, zu entreißen und den Bürgern zurückzugeben“.

Allerdings sind Dinosaurier nicht nur bei Spielberg höchst zählebige Geschöpfe. Und es gibt von diesen bekanntlich zahme und weniger zahme Varianten. Während die Softies in der PRI sich den gegenwärtigen Demokratisierungsschub noch frech als eigenes Verdienst anrechnen, werden die Hardliner – darunter auch Teile des mexikanischen Militärs – vermutlich allmählich unruhig. Und somit unberechenbar. Anne Huffschmid