Kruzifix – Bayerns Bürger streiten sich wieder

■ Vor dem Münchener Verfassungsgerichtshof wird über drei Klagen gegen das Kruzifixgesetz verhandelt. Anträge wegen Befangenheit der Richter abgelehnt

Berlin (taz/dpa) – Es wird wieder offiziell gestritten um die Kreuze an bayerischen Schulwänden. Gestern begann vor dem Verfassungsgerichtshof in München die mündliche Verhandlung über drei Klagen. Eingereicht wurden sie von zehn Landespolitikern der Grünen, dem „Bund für Geistesfreiheit“ sowie einem Vater einer zehnjährigen Schülerin aus dem Großraum Augsburg.

Die Klagen richten sich gegen die Verfassungswidrigkeit des bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes. Genauer gesagt, gegen den umstrittenen Artikel7, worin festgeschrieben ist, daß in Volksschulen Kruzifixe aufzuhängen sind. Der Landtag hatte dieses Gesetz im Dezember 1995 beschlossen und mit einer ergänzenden Widerspruchsregelung für Konfliktfälle versehen. Damit versuchte er auf das Kruzifixurteil des Bundesverfassungsgerichts zu reagieren. Der Oberste Gerichtshof hatte im Sommer 1995 entschieden, der bayerische Kruzifix- zwang verstoße gegen das Grundrecht der Religionsfreiheit und die Neutralitätspflicht des Staates.

Im Mittelpunkt der jetzt verhandelten Klage steht die neue Widerspruchsregelung für Konfliktfälle. Danach können einzelne Schüler beziehungsweise deren Eltern mit einer ausführlichen Begründung veranlassen, daß das Kreuz im Klassenzimmer wieder abgehängt wird. Das ist verfassungswidrig, sagen die Grünen und verweisen auf Artikel107 der Bayerischen Verfassung, wo es heißt: „Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren.“ „Der Staatsführung mangelt es an Gespür dafür, daß es eine Privatsphäre gibt“, kommentierte Hanns-Dieter Reichhelm, Pressesprecher der Grünen-Landtagsfraktion, das verordnete religiöse „Zwangs-Outing“.

Bevor der Prozeß gestern in die Gänge kommen konnte, wurde er durch Befangenheitsanträge erst mal ausgesetzt. Sie richteten sich gegen zwei der neun Richter. Anwälte monierten, daß der eine Richter jahrelang Vorsitzender des bayerischen Landeskomitees der Katholiken gewesen sei. Auch die Unbefangenheit der Kammervorsitzenden wurde angezweifelt, da sie an einer Tagung der CSU- nahen Hanns-Seidel-Stiftung teilgenommen hatte. Dort war das Bundesverfassungsgericht wegen seiner Kruzifixentscheidung massiv angegriffen worden. Das Gericht lehnte die Anträge nach Beratungen ab. Mit einem Urteil wird frühestens in zwei Monaten gerechnet. Für den Fall einer Niederlage wollen die Kläger das Bundesverfassungsgericht anrufen. ank