Holbrooke soll Zypern einen

■ Der frühere Bosnien-Vermittler der Vereinigten Staaten bringt griechische und türkische Zyprioten an einen Tisch

Berlin (taz) – Fast 23 Jahre nach der Teilung begannen gestern direkte Verhandlungen über eine Vereinigung der griechisch dominierten Republik Zypern mit dem türkisch besetzten Norden der Insel. In Troutbeck nahe New York traf sich unter UN-Vermittlung Präsident Glavcos Clerides mit dem Präsidenten der nur von Ankara anerkannten „Türkischen Republik Nord-Zypern“, Rauf Denktaș. Ihre Gespräche sollen bis Sonntag dauern – und erstmals seit Jahren besteht eine Chance für eine Annäherung.

Vor Beginn des Treffens klangen die Positionen freilich unverändert. Clerides wiederholte, daß eine Interpretation der bestehenden UN-Resolutionen, die das Regime im Norden als „illegal“ betrachten, für ihn nicht in Frage käme. Denktaș erklärte zwar, man wünsche sich nichts als Frieden, doch lehne man den „Alleinvertretungsanspruch“ der Republik Zypern strikt ab.

Das Treffen des 78jährigen Clerides mit seinem um fünf Jahre jüngeren Widerpart Denktaș ist das erste seit drei Jahren. Die Hoffnungen auf einen Fortschritt tragen einen Namen: Richard Holbrooke. Der krisendiplomat und Bosnien-Vermittler wurde von den USA zum Zypern-Vermittler berufen. Zwar ist er selbst bei dem Treffen nicht dabei, um den Charakter der UN-geleiteten Gespräche nicht zu tangieren, doch traf er sich schon im Lauf der Woche mit den Kontrahenten. Von Holbrooke wird erwartet, daß er Clerides und Denktaș so weit unter Druck setzt, daß sie ihre unvereinbaren Positionen verlassen. Allerdings ist der Banker nur Teilzeit- vermittler. „Er arbeitet mit uns nur eine Woche im Monat“, erklärte der Sprecher des US-Außenministeriums, Nicholas Burns. „Aber dafür kommt er in dieser Woche auf 120 bis 130 Stunden.“

Fortschritte sind vor allem für die griechischen Zyprioten unabdingbar. Zypern möchte EU-Mitglied werden, und die Gemeinschaft hat sich zu Beitrittsverhandlungen bereit erklärt. Doch mehrere EU-Staaten, darunter Deutschland, haben unzweideutig zu verstehen gegeben, daß die Mitgliedschaft einer faktisch geteilten Insel nicht in Frage käme. Zudem hat man sich selbst unter Zeitdruck gestellt. Im nächsten Jahr, so die Drohung, werde die Republik Zypern russische Flugabwehrraketen stationieren, um der türkischen Luftüberlegenheit etwas entgegenzustellen. Diese Aufrüstung, so offene Drohungen aus Ankara, könnte zu einem Angriff der Türkei führen – ein Grund mehr für USA und Nato, den Konflikt vor einer Eskalation zwischen Griechenland und der Türkei zu lösen.

Noch sind die Positionen von griechischen und türkischen Zyprioten meilenweit voneinander entfernt. Die Griechen präferieren eine bikommunale Bundesrepublik mit starker Zentralgewalt, die Türken können sich maximal eine lose Konföderation zweier Staaten vorstellen. Clerides will ein freies Arbeits- und Niederlassungsrecht durchsetzen, Denktaș seine Zone wie schon seit 23 Jahren hermetisch abschließen. Zudem ist das Flüchtlingsproblem ungeklärt: Nahezu 200.000 Zyperngriechen mußten nach der türkischen Invasion 1974 in den Süden flüchten. Auf zyperngriechischer Seite will man offenbar anbieten, eine Nato- Schutztruppe zu stationieren, die den Frieden garantieren soll. Dann sollten die rund 35.000 türkischen Soldaten abziehen, die derzeit in Nord-Zypern stationiert sind.

Der ganz große Durchbruch wird von den Gesprächen nicht erwartet. Bereits im August sollen die Verhandlungen weitergehen. Clerides erklärte vor seiner Abreise, das entscheidende Jahr für eine Überwindung der Spaltung werde 1998 sein. Doch da hatte er noch nicht mit Richard Holbrooke gesprochen. Klaus Hillenbrand