Bossong raus?

■ Freie Träger der Drogenhilfe fordern Ablösung des Drogenbeauftragten

Das Vertrauen ist zerstört. In einem Offenen Brief an Sozialsenatorin Helgrit Fischer-Menzel haben gestern die Freien Träger der Drogenhilfe die Ablösung des hamburgischen Drogenbeauftragten Horst Bossong gefordert. Sie werfen dem Suchtpolitiker vor, Sozialpädagogik und Sozialarbeit mit „ansteigender Geringschätzung“ zu behandeln. Bossongs Verhalten „zerstört eine engagierte Weiterentwicklung für die Arbeit mit Suchtmittelabhängigen“, heißt es in dem öffentlichen Mißtrauensvotum der Berater und Therapeuten.

Angesichts von fast 70 Milli-onen Mark, die der Stadtstaat Hamburg jährlich für Sucht- und Drogenhilfe ausgibt und angesichts einer sich ständig vergrößernden offenen Drogenszene in der Stadt, erwartet Bossong von den staatlich finanzierten Drogenhelfern quantifizierbare Erfolgsnachweise. In diesem Zusammenhang war er auf einer Fachtagung (taz berichtete) hart mit der gängigen Praxis ins Gericht gegangen.

Dabei hatte Bossong Mißstände angeprangert, die ein offenes Geheimnis unter Szenekennern sind. Die Tätigkeitsberichte der Sozialpädagogen sind bisweilen ebenso beliebig wie die therapeutischen Methoden, die bei Suchtkranken zur Anwendung gebracht werden. „Irgendwelche“ Erfolge werden bei irgendwie einem Drittel aller Klienten festgestellt. Die meisten Beratungsstellen sind nicht erreichbar, wenn sie gebraucht werden (deshalb war auch der taz gestern keine Nachfrage zum Offenen Brief möglich). Elektronische Dokumentation und Information ist in den meisten Beratungsstellen ein exotisches Fremdwort.

Dafür aber sind nicht wenige Sozialarbeiter wahre Weltmeister in der Erfindung neuer Beratungsbedürfnisse. Am liebsten würden sie die Stadt flächendeckend mit Beratungsstellen überziehen, die dann aber nur dünn besetzt wären – weil die dort Angestellten gerade zur „Fortbildung“ sind.

So etwas hört man in der Drogenhilfe nicht gern und ruft lieber nach einem „kompetenten Verhandlungspartner“, soll heißen: einem anderen Drogenbeauftragten. Die Senatorin hat noch nicht geantwortet. Jürgen Oetting