: Magische Melodie des Eisens
■ Die Metallbildhauerin Junie Kuhn schmiedet die Geheimnisse der Kommunikation / Wie das geht, zeigt sie noch bis Freitag während eines Workshops in Bremen-Huchting
ewichtig stehen sie da, beäugen sich argwöhnisch, wirken kühl aber nicht teilnahmslos. Wie Fremde eben, gleichsam erstarrt in der minimalen Bewegung neugieriger Zugewandtheit. Wer sagt das erste Wort, nachdem die Augen sämtliche Abmessungen gespeichert haben, und vor allem: Was sagt man und wie?
Vielleicht kann, wer lange genug die am Freitag vor dem Kulturbüro Huchting enthüllte Skulpturengruppe „Der schweigende Dialog“betrachtet, eine Antwort hören. Doch schon das bloße Reflektieren über die Frage, wie eigentlich Begegnung entsteht, löst aus und ein, was die Metallbildhauerin Junie Kuhn initiieren will: Kommunikation.
Das freilich funktioniert nur, weil Junie Regine Kuhn ihren abstrakten Objekten eine Körpersprache einzuverleiben versteht, die unverschnörkelt auf das Wesentliche reduziert ist. Die Figuren, meist menschen- oder vogelgleiche Wesen, drücken durch ihre Haltung das aus, was sie sind: Geschwätzig oder stumm, neugierig oder verschlossen, euphorisch oder verhalten. Titel wie „Die Tänzerin“, „Dialog der schrägen Vögel“sind somit keine nebulösen Andeutungen, sondern durchaus wörtlich zu nehmen und von wohltuender Eindeutigkeit.
Eindeutig wie der Weg der aus Hamburg stammenden und heute bei Bremen arbeitenden 40jährigen Künstlerin selbst. Schon als Kind verbrachte Junie Kuhn viel Zeit damit, aus Draht Figuren zu biegen. Als sich nach dem Abitur unter gleichaltrigen Frauen ein kreativer Schaffensdrang in Form rollenfester Web- und Seidenmalkursen entlud, zerlegte Junie Kuhn Automotoren und war fasziniert von der Kraft großer Maschinen. So erschien es ihr konsequent, eine Ausbildung zur Maschinenbauerin zu absolvieren.
Eine Entscheidung für einen dornigen Weg. Immer wieder wurde ihr von seiten der Männer signalisiert, daß sie in dieser Branche nichts zu suchen habe. Auch die erste Anstellung nach der Gesellenprüfung war geprägt von täglichem Sexismus. .
Was ihr in Ausbildung und Beruf allerdings stets zu kurz gekommen war, war das Schmieden und das damit verbundene gestalterische Potential. Der Zufall wollte es, daß Junie Kuhn eine in Frankreich lebende Kunstschmiedin kennenlernte, bei der sie eine zweite Ausbildung erfuhr. Zurück in Deutschland, hatte sie die Grenze vom Handwerk zur Kunst überschritten. Mit Feuer und Flamme suchte sie die, wie sie sagt, „sinnliche Begegnung mit dem Eisen“, war besessen davon, der an sich gestaltlosen Materie von genormtem Baustahl, Profilstäben und -blechen durch Glühen eine eigene Form zu geben.
Von Beginn an stand thematisch das Geheimnis von Kommunkation im Vordergrund des gestalterischen Arbeitens von Junie Kuhn. So sind die von ihr geschmiedeten Tore niemals nur Pforten, sondern vielmehr eigenwillige Anspielungen auf den geteilten und mitzuteilenden Raum dahinter. „Ich will keine Denkmäler schaffen“, sagt sie bestimmt. „Mir geht es um die Ansprache, darum, daß in den organischen Körperzellen der Betrachtenden etwas zum Klingen kommt.“Für die Künstlerin ist es, als würde dem Metall eine Melodie innewohnen, die durch die rhythmischen Schläge des Schmiedens erinnert und in Takt gebracht werden. Insofern begreift sie ihre Arbeiten selbst als „Geschichtsforschung“, die oftmals über das eigens Erlebte hinausgeht und archaische Formen hervorbringt.
Über die Formgebung in die Erinnerung zu gehen ist für Junie Kuhn ein magischer Prozeß. Daß dabei Unbewußtes oder bloße Ahnungen freigelegt, ent-deckt werden und in „Dialog“treten mit Erlebtem ist ein schamanischer Vorgang, dem, so die Künsterin, gerade das Feuer mit seinen gestaltenden, verwandelnden, ja auch zerstörerischen Kräften entspricht.
Diese Faszination überdauerte bisher alle Hindernisse, die Junie Kuhn als schmiedender Frau entgegengebracht wurden. Heute genießt sie als solche großen Respekt, und sie läßt keinen Zweifel daran, daß sie ihr Feuer unermüdlich weiter schüren wird. Wer Junie Kuhn bei der Arbeit beobachten oder selbst praktizierend von ihr lernen will, hat noch diese Woche Gelegenheit zur Begegnung: Bis zum kommenden Freitag findet vor dem Kulturbüro Huchting die Sommerwerkstatt „Bildhau“statt, wo unter Anleitung der drei Künstlerinnen Rosa Jaisli (Stein), Luella Strauss (Holz) und Junie Kuhn (Metall) der „Dialog“mit dem Werkstoff geübt werden kann. Dora Hartmann
Kulturbüro Huchting, Amersfoorter Str. 8, 57 99 978
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