Den menschlichen Ahnen auf der Spur

■ Genetiker zeigen, daß der Neandertaler kein Vorfahre des Menschen sein kann

Bonn (dpa) – Der Neandertaler ist kein Vorfahre des Menschen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die Wissenschaftler aus Bonn und dem Zoologischen Institut der Universität München vergangene Woche gemeinsam der Öffentlichkeit vorstellten. Schon seit längerem war unter Experten umstritten, ob der Homo neanderthalensis an der Entstehung des modernen Menschen beteiligt war oder als eine wieder verschwundene frühere Menschenart anzusehen ist. Dieser Streit sei jetzt entschieden, meint der Projektleiter, der Bonner Urgeschichtler Ralf Schmitz.

Ein sechsköpfiges Forscherteam, an dem auch der Münchener Genetiker Professor Svante Pääbo beteiligt war, hatte ein 1,4 Zentimeter langes und 3,5 Gramm schweres Stück aus dem Oberarm des Neandertalers entnommen, dessen Skelett 1856 in dem gleichnamigen Tal bei Düsseldorf gefunden worden war. Die Knochenscheibe enthielt die älteste frühmenschliche Erbsubstanz, die bisher gefunden wurde. Vergleiche der Erbsubstanz mit der des modernen Menschen ergaben wesentliche Unterschiede. Die Entwicklungszweige von Neandertaler und modernem Menschen haben sich danach vor spätestens 550.000 Jahren getrennt. Nach neueren Erkenntnissen teilten sich die Neandertaler und der Homo sapiens bis vor 2.000 Generationen noch den gleichen Siedlungsraum. Überreste von ihnen sind in Nahost und in Europa gefunden worden.

Die jetzt durchgeführten DNA- Analysen seien nur aufgrund der günstigen Fundumstände des bis zu 100.000 Jahre alten Skeletts möglich gewesen, berichteten die Forscher. Der dichte Lehm, die niedrige Temperatur in der Grotte und der bald nach der Entdeckung aufgepinselte Lack hätten die Knochen und Teile der Erbsubstanz konserviert. Für ihre Analysen verwendeten die Forscher zudem nicht die Erbsubstanz aus dem Zellkern, sondern die DNA aus den Mitochondrien, die auch als Kraftwerke der Zelle bezeichnet werden.

Ungelöst bleibt allerdings, warum der Neandertaler wieder verschwunden ist. Spekuliert wird, daß er aus seinen Jagdgebieten verdrängt wurde oder vielleicht durch eingeschleppte Krankheiten oder eine verminderte Fortpflanzungsfähigkeit ausstarb. Sicher ist vorerst nur, daß es keine Rekonstruktion des Neandertalers nach dem Vorbild der Dinosaurier von Jurassic Parc geben wird. Mit den vorhandenen Bruchstücken der Erbsubstanz kann der Neandertaler nicht neu erschaffen werden. Alexandra Seitz