■ Wie die Stasi Verfassungsschutz-Mitarbeiterinnen bastelte
: Die Akte Ernesto Guevara

Blut und Wasser geschwitzt haben wir damals, im Mai 1987, das weiß ich noch. Mehr als eine Stunde lang sind mein damaliger Lebensabschnittsgefährte und ich auf dem Weg nach Kuba im Ostberliner Flughafen Schönefeld durchsucht worden. Aber das Klümpchen Haschisch im Socken entdeckten sie dennoch nicht. Obwohl wir uns in der Kabine bis auf die Unterhose ausziehen mußten. Was für eine Idee, Rauschmittel durch die Zone nach Kuba schleusen zu wollen!

Ziemlich genau zehn Jahre später klappe ich im Lesesaal der Gauck-Behörde meine Stasi-Akte auf und muß mich heftig bemühen, nicht mit sofortiger Wirkung vom Stuhl zu fallen. „Die dokumentiert anliegenden handschriftlichen Aufzeichnungen der BRD-Bürgerin Scheub, Ute Ingeburg, geboren..., weisen darauf hin, daß sie offensichtlich im Mai 1987 vom Verfassungsschutz der BRD angeworben wurde, Aktivitäten der DKP bzw. der Friedensbewegung auszuforschen und sich in diese Partei bzw. Organisation einschleusen zu lassen.“ Beweis: Ihre „schwer lesbaren, in einem Notizbuch enthaltenen Aufzeichnungen“. Pflichtbewußte Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit kopierten sie fleißig, während sich Scheub, Ute Ingeburg, in einer Drogenkontrolle wähnte. Zum Beispiel dieses Blatt: „DKP Blankenese, Günter R., kl. Bauch, Bart Brille, Ende 40, roter Datsun... 19.5.: 1.Treffen Elbschloßrestaurant, Essen f. 60.- auf Kosten von Dohnanyi... Im Auto: ,Ich hoffe, Sie wissen, wer der VS ist‘ (Ausweis), erzähl bloß niemand, 400–600 Honorar.“

Die Stasileute müssen entsetzliche Mühe gehabt haben, meine von zierlicher Hand gemalten Kringel zu entziffern. In ihrer Abschrift wimmelt es von Fehlern, die bei einem freudianisch interessierten Fachpublikum größeres Interesse wecken dürften: Aus „Hinterleute“ wurde beispielsweise „Hinterhalt“. Die konspirativen Abkürzungen entstammten, darauf sollte ich der Klarheit halber doch hinweisen, dem Notizbuch einer weiland in Hamburg agierenden taz- Lokalreporterin. Ich hatte unter anderem das Gespräch mit einem Informanten mitgeschrieben, der der taz berichtet hatte, der Verfassungsschutz habe ihn als Spitzel anwerben wollen. Er solle zuerst die DKP Blankenese und später die „Werkstatt 3“, Sitz vieler Alternativprojekte, aushorchen. Der VS- Beamte, „kl. Bauch, Bart Brille, Ende 40, roter Datsun“ habe ihn im Elbschloßrestaurant fürstlich bewirtet, „auf Kosten von Dohnanyi“, haha. Als Monatshonorar habe der Beamte ihm, dem Arbeitslosen, 400 bis 600 Mark angeboten, seine Adresse habe er „vom Arbeitsamt“ erhalten. Nette Methoden, hüben wie drüben. Aber das ist eine andere Geschichte.

Besonders irritiert haben muß die Stasi, daß sich im Handgepäck der DKP-Spionin „eine Honorarrechnung für Ernesto Guevara“ sowie „mehrere Bündel US-Dollar-Noten, schätzungsweise mehrere tausend“ befanden (es waren ungefähr 500). Lebte Guevara noch? War er gar zur CIA übergelaufen? Brachte ihm die BRD- Spionin seinen Judaslohn mit? Die Zeitungsausschnitte, die die Scheub mit sich führte, wurden vorsichtshalber mitkopiert.

Es waren Rezensionen des Buches „Mein Sohn Che“, geschrieben von seinem inzwischen verstorbenen Vater Ernesto Guevara, erschienen im Hamburger Verlag am Galgenberg. Der Lebensabschnittsgefährte arbeitete in eben jenem Verlag und wollte der in Havanna lebenden Witwe Guevara, Ches Stiefmutter, das Buchhonorar als Scheck überreichen.

Der Scheck platzte. Der Urlaub in Kuba war dennoch nett. Aber das ist wieder eine andere Geschichte. Ute Scheub