Soli-Netzwerk für Kurdinnen gegründet

■ Kurdische Aktivistinnen und Frauenforscherinnen kooperieren

Berlin (taz) – Die Mutter verstand nur Kurdisch, und diese Sprache war im türkischen Gefängnis verboten. Mühsam lernte sie den einzigen türkischen Satz, mit dem sie ihren Jungen dann ein halbes Jahr lang stereotyp ansprechen mußte: „Wie geht es dir, mein Sohn?“

Unter solch subtiler Psychofolter leiden Kurdinnen. Es sei nahezu unmöglich, die Situation in den türkischen Gefängnissen zu beschreiben, erklärte eine Teilnehmerin einer Veranstaltung zur kurdischen Frauenforschung am Wochenende in Berlin. Bei dem Treffen gründeten Wissenschaftlerinnen und Aktivistinnen ein internationales Netzwerk. Für die Forscherinnen und die politisch aktiven Kurdinnen, so zeigte die begleitende Tagung an der Freien Universität Berlin (FU), ist die Ausgangslage denkbar schlecht.

Weltweit steht die Kurdologie ganz am Anfang, wissenschaftliche Literatur oder gar universitäre Stellen sind rar gesät – wie etwa die Gastprofessur von Martin van Bruinessen am ethnologischen Institut der FU. Den Aktivistinnen in den kurdischen Gebieten drohen Repressionen von verschiedenen Seiten. Um ihre Rechte als Frauen, betonten einige Teilnehmerinnen, sei es momentan so schlecht bestellt wie nie. „Über Feminismus in der jetzigen Situation des Krieges in Kurdistan auch nur zu sprechen, ist eine Phantasie“, erklärte Fatma Kayhan aus Istanbul.

Mit ihren Beiträgen vermittelten im Exil lebende Kurdinnenwährend der Tagung eine Ahnung von der Gewalt, die kurdische Frauen täglich erfahren. Hatice Yașar, die heute in Wien lebt, berichtete von der selbst erlittenen Folter im türkischen Gefängnis. „Es ist schwierig, sich nicht von den Gefühlen überwältigen zu lassen, die solche Erfahrungen hervorrufen“, sagte die Berliner Turkologin Heidi Wedel, eine der Initiatorinnen des Netzwerks mit dem Titel: „Kurdish women's studies and activism“. Frauenforschung und politisches Aktivsein sollen nach dem Willen der Konferenz verbunden werden.

Angedacht ist ein Treffen mit in Frauenzentren arbeitenden Kurdinnen. Die sollen ihre Erwartungen an die Wissenschaftsseite äußern. Umgekehrt erhoffen sich Forscherinnen neue Kontakte zu Kurdinnen. Studien in den kurdischen Gebieten selbst, bestätigte Heidi Wedel, seien problematisch. „Auch wenn die Wissenschaftlerinnen selbst nicht gefährdet sind, so müssen sie doch damit rechnen, daß ihren Gesprächspartnerinnen Repressionen drohen“, erläuterte sie die besonderen Schwierigkeiten der Forschungsarbeit. Um zumindest eine symbolische Schutzwirkung zu erreichen, solle im Netzwerk auch darüber nachgedacht werden, so Wedel weiter, eine Folgekonferenz vor Ort zu organisieren.

Irma Leisle von Hînbûn, einem Beratungszentrum und Treffpunkt für kurdische Frauen in Berlin, regte beispielsweise eine Studie dazu an, was es für junge Frauen hier und in anderen Ländern wie der Türkei, Syrien oder dem Iran heißt, „sich kurdisch zu nennen oder nicht“. Monika Honner