Groß-Trara um Umtata

■ Ein Bericht aus der Heimat des südafrikanischen Wunder-Stürmers Wilfred Mugeyi, der Werder Bremen zu teuer war Von unserem Sonder-Korrespondenten Dirk Asendorpf

„Ich werde Umtata vermissen, und wenn ich in Übersee nicht klarkomme, dann seht ihr mich bestimmt hier wieder.“Mit diesen Worten hatte sich Wilfred Mugeyi von seinen Fans verabschiedet und auf den Weg nach Deutschland gemacht. Daß sich seine Prophezeiung jedoch so schnell in bittere Realität verwandeln sollte, hätte der 27jährige wohl selbst nicht gedacht. Der Ballzauberer der Umtata Bush Bucks ist Werder Bremen zu teuer. Der Trainerstab um Dixie Dörner lehnte dankend ab. Mugeyi saß bereits gestern abend wieder im Flieger nach Südafrika.

Einer, der die Entscheidung der Kollegen im fernen Norden sicher nicht verstehen kann, ist Sipiwa Magingxa, Manager der Umtata Bush Bucks. Gedankenverloren pustet er den Staub von den Pokalen, die an der Wand des kleinen Vereinsbüros im quirligen Zentrum der südafrikanischen Halbmillionenstadt aufgereiht sind. „Alle diese Preise haben wir vor allem Wilfred Mugeyi zu verdanken. Es wird sehr schwer werden, ihn zu ersetzen“, ahnt Manager Magingxa, „wir werden dafür nicht nur einen neuen Stürmer brauchen, sondern mindestens drei.“Denn mit Werders Absage ist Mugeyi noch lange nicht wieder Stamm-Stürmer der Bush Bucks. Nottingham Forrest ist auch an ihm interessiert, bietet 1,3 Millionen Mark.

Ursprünglich war Mugeyi 1993 aus Zimbabwe nach Umtata gekommen, damals noch Hauptstadt der von Pretoria als schwarzes „Homeland“für unabhängig erklärten Transkei. Doch im Fußball, dem populärsten Sport der südafrikanischen Schwarzen, spielte diese Apartheid-Politik längst keine Rolle mehr. Und so wurde Mugeyi schon in seiner ersten Saison bei den Umtata Bush Bucks (Springböcken) südafrikanischer Torschützenkönig und Pokalsieger. 117 Tore hat der Stürmer seitdem in 70 Spielen für Umtata geschossen. Und hat damit der afrikanischsten Stadt Südafrikas zumindest im Fußball Entschädigung für den völligen Verlust ihrer politischen Bedeutung verschafft.

Hauptstadt ist Umtata heute nicht einmal mehr von der neuen Provinz „Eastern Cape“, zu der sie mit der ganzen Transkei gehört. Eastern Cape ist übrigens Partnerland von Niedersachsen. Was natürlich nicht heißen muß, daß Bremen dort das gleiche Schicksal erleiden wird wie das ebenfalls chronisch bankrotte Umtata im neuen Südafrika...

Dort ging es immerhin – im Unterschied zu Bremen – fußballerisch weiter bergauf. Mugeyi verhalf den Bush Bucks zu einem zweiten Pokalsieg 1996 und dem vierten Platz in der Nationalliga in diesem Jahr. Und für den Stürmerstar persönlich gab es vor vier Wochen auch noch einmal drei Einzelpreise – als Fußballer des Jahres, als Torschützenkönig der Liga und als der beste Spieler der Saison.

„Silberfuchs“wird Mugeyi für seinen gewitzten Ballzauber im gegnerischen Strafraum von den Fans gerufen. Für viele von ihnen war der Star allein Grund genug, an jedem zweiten Sonntag ins Independent Stadium hinter Umtatas Busbahnhof zu kommen – oft ein paar hundert Kilometer weit aus den Industriestädten East London oder Port Elizabeth. Nur die Spitzenmannschaften aus Soweto haben mehr Anhänger als die Provinzfußballer. „Das liegt daran, daß wir die einzige Xhosa-Mannschaft in der Liga sind“, vermutet Magingxa. Nach den Zulu sind die acht Millionen Xhosa die zweitgrößte Bevölkerungsgruppe Südafrikas.

Untereinander rufen sich die Bush Bucks ihre Kommandos allerdings auf Englisch zu. Nur die Hälfte der Spieler stammt tatsächlich aus Umtata oder der Umgebung, und nicht alle Auswärtigen haben so gut isiXhosa gelernt wie Wilfred Mugeyi und sein Zwillingsbruder William. Der ist auch Fußballprofi bei den Bush Bucks.

Privat teilen sich die Mugeyi-Brüder ein schlichtes Einfamilienhaus in Norwood, einem Mittelschichtsviertel mit ungeteerten Straßen gleich hinter dem Umtata River. Und zu gerne würde William seinem Bruder jetzt auch nach Europa folgen. Denn Profifußball in Südafrika ist keine Goldgrube. Gut tausend Mark bekommen die Spieler der Bush Bucks im Monat – soviel wie eine Grundschullehrerin – dazu freie Unterkunft und Siegprämien. Auch wenn dies für die Mugeyi-Brüder in ihrer Heimat Zimbabwe sehr viel gewesen wäre – europäische Fußballergagen sind dagegen doch mehr als verlockend.

Und das nicht nur für die Spieler. „Wir sind ein sehr armes Team“, sagt Sipiwa Magingxa, der Willi Lemke von Umtata. Die Ablösesumme von zwei Millionen Mark, die Werder für den Stürmer an die Bush Bucks zahlen sollte, entspricht ziemlich genau einem Jahresetat des Vereins. Auch wenn durchschnittlich 15.000 Zuschauer zu jedem Heimspiel ins Stadion kommen, bringt das bei einem Eintrittspreis von umgerechnet vier Mark keine großen Summen. Und mit dem Verkauf von Fernsehrechten haben die Bush Bucks kein Glück: Nicht ein einziges Heimspiel ist in der vergangenen Saison direkt übertragen worden. „Wir sind hier eben sehr weit von den Anstalten und den guten Kontakten weg“, klagt Magingxa, „und die Flugverbindungen nach Johannesburg sind so schlecht, daß ein Fernsehteam für ein Spiel am Sonntag drei Tage unterwegs ist.“

Den Sprung in die Spitzengruppe der Nationalliga hat der Verein aus Umtata nur geschafft, weil die richtigen Geschäftsleute im Vorstand sitzen – der Direktor einer großen Spedition, ein Versicherungsmanager und der Inhaber einer Einzelhandelskette. Trikots werden von einem japanischen Textilkonzern gesponsored. Aber schon für die nötigsten Einrichtungen im städtischen Stadion ist kein Geld mehr da. Zum Beispiel fehlen Klos für die Zuschauer, gepinkelt wird an die Stadionmauer. Für die Spülung sorgen Tropengüsse, die im Sommer gerne über den nachmittäglichen Fußballspielen niedergehen – und dann auch gleich den Rasen in eine Seenlandschaft verwandeln.

„Was wir hier machen, das hat viel mehr mit Liebe zum Sport als mit Geld zu tun“, meint denn auch Bush Buck Manager Magingxa und guckt zärtlich auf die Pokale im Vereinsbüro. Persönlich bessert er sich sein spärliches Fußballmanager-Gehalt als Versicherungsvertreter auf. Auch wenn es schwer fällt – mit dem Verlust seines Publikumslieblings hat Magingxa sich schon abgefunden. Wenn die Bush Bucks in zwei Wochen zur neuen Saison in Pretoria auflaufen, wird Mugeyi „bestimmt nicht dabei sein. Dafür werden die internationalen Spieler-Agenten schon sorgen.“