■ Vorschlag: Fremdgehdrama mit Familienanschluß: "Daytrippers"
Vorschlag
Fremdgehdrama mit Familienanschluß: „Daytrippers“
Mehr als die übliche amouröse Verwechslungskomödie, nämlich ein ausgewachsenes Fremdgehdrama mit Familienanschluß liegt hier vor. Aufgescheucht von einem illegitimen Liebesgedicht, macht sich eine ganze Sippe auf zum Daytrip nach Manhattan. Mutti, Vati, Schwesterlein, Schwägerlein und Eliza (Hope Davis), die vermeintlich hintergangene Ehefrau. Debütfilmer Greg Mottola nutzt seine kurz nach Weihnachten (!) spielende Geschichte als Fingerzeig auf die Familie als dysfunktionalen Mob.
Begonnen, den Lebenswandel von Louis (Stanley Tucci), dem Entlaufenen, zu durchforsten, wird die Reise unfreiwillig zu einer roadmovigen Odyssee. Da hat sich die kleine Schwester Jo (Parker Posey) schon längst auf eine Party abgeseilt, wo sie ihrerseits möglichst unauffällig nach männlicher Abwechslung fischt. Die restliche Familie hockt klamm im Wagen und knetet die Frage durch, wo denn der gesuchte Gatte sei. So klappert man verschiedene Lokalitäten ab, hält bei jeder zweiten Telefonzelle und verzankt sich reihum mit der dominanten Mutter Elizas. Diese wird von einer Passantin zum Kistentragen und Umziehenhelfen abgezogen und sitzt erst mal mit zwei skurrilen Schwestern im vierten Stock fest, Opfer der eigenen Höflichkeit. Dieweil der Schwager, ein peinlicher Möchtegernschriftsteller, mit unerwünschten Redebeitägen nervt.
Was will dieser Film eigentlich mit all seinen betulichen Episödchen, die die Figuren mitunter aussehen lassen wie eine Gruppe verirrter kleiner Herdentiere? Ist es ein Problemfilm? Weil er die „regressive „Dynamik von Familien“ anprangert, wie Newsweek verständnisvoll anmerkt? Erfreulicherweise ist dem nicht so, denn der Film hat immer dann seine stärksten Momente, wenn er sich von der psychologischen Beweisführung mal losreißen kann. Dann legt sich Jo einfach nur auf regennasser Straße mit der halben Familie an, wobei das schwachbeleuchtete Ambiente windiger Straßenecken ein übriges tut. Daß das Ganze dann aussieht wie auf der Theaterbühne, entspricht dabei nur der brutalen Wahrheit solcher Szenen. Gudrun Holz
„The Daytrippers“, ab heute im Filmkunst 66
Nachschlag
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