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■ NachschlagHopsen, zappen, raven: Michael Mittermeier in der Bar jeder Vernunft

Das Paradies liegt für Michael Mittermeier in New York. Da gibt es 124 Kabelprogramme, einen Kanal eigens für Science-fiction-Serien und all das, was die Generation der West-Menschen um die 30 sozialisiert hat – „Flipper“, „Die Waltons“ und „Bonanza“, täglich und rund um die Uhr. Michael Mittermeier zappt durchs Programm und recycelt die Absurditäten, den Schwachsinn und die Geschmacklosigkeiten des TV-Wahns für einen rasanten Pointendauerbeschuß. Mit Münchner Restakzent erzählt der Shooting-Star der deutschen Comedy-Szene von seinen Erfahrungen vor der Glotze. Längst ist er selbst ein Fernsehstar. Durch seine inflationsartigen Auftritte in der „RTL Samstagnacht“-Show, bei Harald Schmidt und vor allem beim „Quatsch Comedy Club“ von Thomas Hermanns (der ganz zufällig auch diese Show inszeniert hat) haben viele seiner Geschichten beim Fanpublikum bereits die Aura eines Evergreens. Schwarze Basecap (Schirm nach hinten), blaues Nicki-Shirt und enge Lederhose sind sein ständiges Bühnen-Outfit, der kontinuierliche Verschnitt aus Fernseh- und Filmdetails mit dem Alltagsgeschehen ist sein kabarettistisches Prinzip. Da werden die Geheimnisse von „o.b.“-Werbung ergründet, wird die Liebe zu Edgar Wallace, Winnetou und Eduard Zimmermann beschworen. Die „Polizeiinspektion 1“ muß sich dem Vergleich mit „Einsatz in Manhattan“ stellen.

Mittermeier hopst und gestikuliert auf der Bühne wie ein Raver nach einer Überdosis Ecstasy. Zappelt mit seinem hageren Körper, verrenkt sich die Gesichtsmuskeln und verstellt die Stimme zu albernen wie grotesken Parodien der Kult- und Randfiguren der Popularkultur. Anders als die Medienkritik seines schonungsloseren Fernsehkollegen Oliver Kalofe ist Mittermeier nur selten abgrundböser Zyniker, allenfalls ein etwas schamloser Kindskopf, der sich ab und zu an die Grenzen zum schwarzen Humor wagt. Dann lästert er über Stehpisser und versetzt sich in die Rolle von Flughafen-Abstastern, die Männern unter die feuchten Achseln greifen müssen.

Ein Berufsjugendlicher kultiviert mit Verve und Spaß den Pennälerhumor der Oberstufe. Volle zwei Stunden dreht Mittermeier durch und spinnt sich durch das Fernsehprogramm in seinem Kopf – und kommt in seiner Totalvernichtung von Verona Feldbusch („debile Provinz-Weinkönigin auf Wortschatzsuche“) und der Busendarstellerin Dolly Buster zu einem mimischen Höhepunkt. Und schließlich führen die diversen roten Fäden der Show zu einem dramaturgisch überraschenden Showdown. Der TV-Junkie knallt durch und läßt die Heiligen Drei Könige samt „Red-Bull“-Engelchen zur Enterprise beamen. Axel Schock

Bis 27. Juli, Di.–So., jeweils 20.30 Uhr, in der Bar jeder Vernunft

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