■ Zur Einkehr
: Im Theatro

Das Logo des „Theatro“– ein gebannt starrendes Augenpaar – nimmt das Publikum dieses Bistros bitterernst: Die Bühne ist der Goetheplatz, die Hauptrollen spielen die Gäste, die genug Nonchalance zur Schau stellen, um ihre Cabrios direkt vor dem Caféhaus zu parken und beim Aussteigen gelangweilte „Rossini“-Blicke auszusenden. Am Fenster sitzen die mit dem unsteten Spähblick, der erst sich beruhigt, wenn Bekannte auflaufen.

Möglicherweise war es auf die mangelnde Auslastung der Tische zurückzuführen, daß Bedienung Ines uns mit penetranter Präsenz zum Bestellen aufforderte, kaum daß wir uns niederließen. Auf der kleinen Karte umschifften wir die üblichen Bistro-Gemeinplätze wie Riesengambas und überbackenen Spinatauflauf.

Wir orderten statt dessen Kalbsmedaillons auf Steinpilzrahm, Broccoliflan und Kräuter-Speckknödel (26 Mark), Rapunzelsalat mit Kirschtomaten, gebratenen Garnelen und Lachsstreifen in Sherry-Mandel-Vinaigrette (18 Mark) und Poulardenbrust mit Champignon-Gemüsefüllung, Kerbelrahm, Basmatireis (24 Mark). Erst mit dem Essen kam ein geräumiger Brotkorb. Sein Inhalt gemahnte an frühe Wienerwald-Zeiten: Drei kümmerliche Scheiben – haarscharf kalkuliert.

Doch wohlig tröstet der Wein. Der Salatteller: ein Gestrüpp aus Salaten, das versöhnen wollte mit der – nur – einen Garnele. „Schmeckt aber okay“, kommentierte die Begleiterin leidenschaftslos. Kärglich auch die Poularde, die Füllung fad, das Tomatenachtel vereinsamt, der Reis aber gepreßt zu fulminanter Kernkraftwerkskuppel.

Auf den Medaillons deutlich – als Note – der Steinpilz. Die Knödel waren bratenartige Scheiben, teilweise angebrannt.

„Darf's noch was schönes sein?“, flötete Ines in ungebrochener Unverbindlichkeit. Es durfte: Apfelstrudel und Mandelbällchen mit frischen Früchten (8,50 Mark).

Ach ja, Gastro-Lyrik! Die Mandelbällchen entpuppten sich als Vanilleeis mit Mandelsplittern, die frischen Früchte als ein paar (eher: ein Paar) Erdbeerhälften. Der Strudel ist als Tiefkühlprodukt in jedem Supermarkt in besserer Qualität zu bekommen. Als Ines, die Geschmacksdoktrin unmißverständlich vorgebend, mit „das war lecker, nicht!“abservierte, fühlten wir uns kurz wie drei Babys, die gerade mit Hipp abgefüttert wurden. Den Mund wischten wir uns noch am Goethe-Zitat auf der Serviette („Das Gefühl eigener Anmut macht anmutig“) ab und nahmen den Grappa lieber nebenan.

Alexander Musik

Theatro, Goetheplatz