Hasch mich!

Mit einer Serie von Selbstanzeigen wollen Cannabis-Konsumenten im August die derzeit gängige Drogenrechtsprechung ad absurdum führen  ■ Von Martin Kaluza

Am 25. August gegen 17 Uhr werden ein paar Dutzend Leute die Polizei dazu einladen, bei ihnen einmal vorbeizuschauen und sich bei der Gelegenheit ein knappes Gramm Haschisch abzuholen. Mit einer Reihe von Selbstanzeigen wollen sich Haschischkonsumenten outen, um auf die absurde Lage hinzuweisen, daß verschiedene Drogen immer noch ungleich behandelt werden.

Nicht zuletzt, um den selbsterklärten Straftätern das Gefühl eines gemeinsamen Rückhaltes zu geben, wurde der Zeitpunkt in die Nähe der Hanfparade '97 gerückt, die am 23. August in Berlin stattfinden wird. In der Hauptstadt soll noch einmal die Werbetrommel gerührt werden, bevor es zwei Tage später in den Heimatorten ans Eingemachte geht. Hinter der Aktion steht die Jugendkontaktstelle Nordrhein-Westfalen, eine Koordinationseinrichtung grünlicher Jugendgruppen und -initiativen, die den Bündnis 90/Grünen nahesteht.

Von der Aktion erhoffen sich die Initiatoren eine noch größere Publicity als im bislang prominentesten Einzelfall.

Am 17. März 1996 hatte Georg Wurth als Sprecher der Grünen Partei Remscheid einen Brief in den Kasten des örtlichen Polizeipräsidiums geworfen, der mit den markigen Worten begann: „Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit möchte ich Ihnen mitteilen, daß sich in meiner Wohnung ca. 4 Gramm Marihuana befinden.“ Nach gerade mal drei Tagen stürzte sich die Bild-Zeitung auf den Fall, damit wurde er bundesweit bekannt. Daß Wurth daraufhin ein Strafrichter im privaten Rahmen zu verstehen gab, er werde damit keinen Blumentopf gewinnen, ließ ihn kalt: „Ich denke an die vielen Jugendlichen, die mir spontan zur Selbstanzeige gratuliert haben, und frage mich, was ich mit einem Blumentopf soll.“

Das Bundesverfassungsgericht fest im Blick, marschierte Wurth durch alle greifbaren Instanzen. Er hoffte, daß es sich noch einmal mit dem hinlänglich bekannten „Haschisch-Urteil“ befassen würde, in dem es 1994 das berühmte Hintertürchen offenließ. Seither können Staatsanwaltschaften Verfahren im Zusammenhang mit dem Betäubungsmittelgesetz wegen Geringfügigkeit einstellen.

Nachdem es das Amtsgericht Remscheid zunächst abgelehnt hatte, sich mit Wurths Fall zu befassen, war es dann die Staatsanwaltschaft Wuppertal, die bewirkte, den Prozeß doch zu eröffnen. Der Remscheider Richter setzte schließlich eine Verwarnung von 600 Mark zur Bewährung aus. Dagegen legte Wurth Verfassungsbeschwerde ein.

Jetzt ruft Wurth, diesmal als Vertreter der Jugendkontaktstelle NRW, dazu auf, es ihm mit einer Selbstanzeige gleichzutun.

Dabei begeben sich die Aufrufer und die Selbstanzeigenden auf eine wacklige Gratwanderung. Bis vor kurzem gingen die Initiatoren der Kampagne noch davon aus, daß den Selbstbezichtigern keine große Gefahr drohe, solange sie allein die bayerische Geringfügigkeitsgrenze des Eigengebrauchs von drei Gramm unterschritten. In diesem Fall, so hieß es noch kürzlich, sei die Einstellung des Verfahrens die wahrscheinlichste der möglichen Folgen.

Inzwischen sind die Initiatoren noch vorsichtiger geworden. Am 10. Juni beschloß das Bundesverfassungsgericht, den Fall Wurth nicht noch einmal aufzurollen. Das heißt zum einen, daß keine weitere Liberalisierung vorgenommen wurde. Zum anderen wurde für Wurth selbst das Remscheider Urteil bestätigt. Der Knackpunkt hier: Wurths Rechnung, daß er wegen Geringfügigkeit freigesprochen würde, ging nur zum Teil auf. Verhandelt wurde nämlich wegen eines Deliktes, das schwerer wog als der Besitz von Haschisch zum Eigengebrauch. Wer den Stoff nicht tatsächlich gleich verbraucht, sondern ihn an die Polizei weitergibt, fällt nicht unter die Eigenbedarfsregel. Insbesondere dann nicht, so hieß es, wenn man, wie Wurth, den Besitz in der Öffentlichkeit bekanntgebe und diese damit gefährde. Mitorganisator Wolfgang Küppers: „Das ist fast so schlimm wie die Weitergabe. Wir müssen deshalb mit der Kampagne vorsichtiger sein. Wir raten inzwischen zu geringsten Mengen von etwa 0,5 bis ein Gramm.“

In keinem Fall solle die Sache auf die leichte Schulter genommen werden. In der Broschüre, in der zu der Kampagne aufgerufen wird, heißt es: „Es ist auch möglich, daß Ihr kleine Geldstrafen oder Sozialstunden aufgebrummt bekommt. Eine Vorstrafe ist extrem unwahrscheinlich, aber auch hierfür können wir keine Garantie geben.“

Außerdem seien unbedingt die Reaktionen von Familie, Freundeskreis oder Arbeitgebern zu bedenken. Denn die Strafverfolgung muß von der Polizei in jedem Fall aufgenommen werden. Etwaige Prozeßkosten hofft man den Betroffenen durch Spendenaktionen in der Hanflobby erstatten zu können, die als fest eingeschworen gilt.