: Wider die Parkbänke und Getränkekästen
■ An der TU Berlin wurde ein neues Verfahren zur Kunststofftrennung entwickelt
Genauso unzertrennlich wie der helle und der dunkle Pfeil des grünen Punktes sind nicht selten auch die vermischten Kunststoffe, aus denen viele Verpackungen bestehen. Echte Recyclingtechniken, die diese Mischungen wieder in ihre ursprünglichen Bestandteile auflösen, sind selten: Statt aus Abfällen wieder reine Rohstoffe zu machen, können bislang etliche Kunststoffgemische und Verbundstoffe gerade mal eingeschmolzen und zu Parkbänken oder Getränkekästen gepreßt werden.
Obwohl die Forscher im Prinzip gar nichts gegen Parkbänke haben, werden am Institut für Verfahrenstechnik der TU Berlin schon seit längerem Wege erforscht, wie diese Substanzencocktails präzise getrennt und ohne Qualitätseinbußen als Rohstoffe wiederverwendet werden können. Mit einer als Säulenchromatographie bekannten Methode hat TU-Professor Wolfgang Arlt unlängst einen wichtigen Schritt in diese Richtung unternommen: Ihm und seiner wissenschaftlichen Assistentin Adriane Lewisch ist es gelungen, die Kunststoffe Polycarbonat (ein Grundstoff etwa für CDs) und Polystyrol (aus dem beispielsweise Joghurtbecher hergestellt werden) zu trennen.
Die chemische Methode ist dabei verhältnismäßig simpel: Das Kunststoffgemisch wird in einer Flüssigkeit aufgelöst und in eine Säule gegossen, die mit einem bestimmten Pulver gefüllt ist. Praktischerweise wandern die Kunststoffmoleküle unterschiedlich schnell durch das Gefäß. Im Idealfall kommen alle Stoffe des Gemisches getrennt und nacheinander am unteren Ende der Säule wieder heraus.
„Das ist im Prinzip wie ein Wettrennen“, erläutert Arlt. Die eigentliche Fleißarbeit bestand nun in der Suche nach einem geeigneten Lösungsmittel für die Kunststoffe sowie dem geeigneten Pulver, mit dem die Säule gefüllt wird. Zwei Jahre dauerte die Suche nach denjenigen Substanzen, bei denen das Verfahren für die Trennung von Polycarbonat und Polysterol am besten funktioniert. Prinzipiell läßt sich die Methode auf andere Substanzen ausweiten.
Die Lawinen von Verpackungsmüll können zwar nicht allein mit Arlts Verfahren bewältigt werden. Von den jährlich erfaßten 750.000 Tonnen Kunststoffabfall aus Verpackungen schätzt der TU-Professor, daß er nur einen Teil kleinkriegen kann. Trotzdem handele es sich immer noch um Mengen, die eine Großtechnologie erforderten. Unter Recyclinggesichtspunkten lohnt es sich allemal, die Methode auszuprobieren. Denn wenn die Kunststoffe, wie derzeit üblich, eingeschmolzen werden, bleibt lediglich ein minderwertiger Rohstoff übrig. Schlimmstenfalls werden Verpackungen „thermisch verwertet“, sprich: verbrannt. „Keine Frage, Kunststoffe sind sehr gute Brennstoffe“, räumt Arlt ein, „allerdings viel zu wertvoll.“
Freilich ist derzeit noch nicht abzusehen, ob der Einsatz seines Verfahrens überhaupt finanzierbar, geschweige denn rentabel ist. So kosteten beispielsweise die fünfhundert Gramm des von Arlt benutzten Pulvers, eines Markenproduktes aus den USA, 10.000 Mark. Bislang wird die Substanz, die äußerlich wie Mehl aussieht, nur in Kleinstmengen in der Herstellung von Medikamenten eingesetzt. Arlt: „Eine so große Menge hat die Firma wohl noch nie an eine Einzelperson verkauft.“ Allerdings, so fügt er hinzu, könnte der Stoff bedeutend billiger werden, wenn erst einmal eine entsprechend größere Nachfrage bestehe. Einmal angeschafft, kann das Pulver lange verwendet werden.
Daß das Verfahren wissenschaftlich gesehen elegant funktioniert, heißt nun nicht, daß es sich auch in der Praxis durchsetzen kann. So gibt etwa die Pressestelle des Umweltbundesamtes zu bedenken: „Es wurden in den letzten Jahren des öfteren chemische Methoden zur Kunststofftrennung entwickelt, die aber den Einsatz von derart vielen Lösungsmitteln erforderten, daß eine solche Anlage nie genehmigt werden würde.“ Aber auch in diese Richtung wird weiter geforscht, wie Lawisch erklärt: „Es werden heutzutage immer geringere Mengen an Lösungsmitteln gebraucht.“ Diese würden nicht freigesetzt, sondern in geschlossenen Kreisläufen über längere Zeit benutzt. Martin Kaluza
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen