Zurück in die Heimat Tadschikistan

■ Nach jahrelangem Exil in Afghanistan machen sich die ersten Bürgerkriegsflüchtlinge auf den Weg nach Hause

Berlin (taz) – 300 tadschikische Flüchtlinge sollen dieser Tage aus Afghanistan in ihre Heimat zurückkehren. Grundlage ist ein Friedensabkommen zwischen der Regierung in Duschanbe und der „Vereinigten Tadschikischen Opposition“. Das Abkommen wurde im Juni in Moskau unterzeichnet und soll den Bürgerkrieg beenden, der seit dem Zerfall der Sowjetunion über 50.000 Menschen tötete und über 600.000 zu Flüchtlingen machte, davon eine halbe Million innerhalb des Landes. Mindestens 26.000 Tadschiken verschlug es sogar nach Sibirien.

Die Mitglieder der Vorausgruppe sollen mit Booten über den Grenzfluß Pandsch gebracht werden und auf dem tadschikischen Ufer bei der Ortschaft Nishnij Pandsch zunächst einige Tage in Transitlagern zubringen, bevor sie in ihre Herkunftsdörfer zurückkehren. Wenn die Aktion gut laufe, könnten bald die übrigen rund 20.000 Flüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetrepublik ihre Lager in Nordafghanistan verlassen, zitierte die britische BBC kürzlich Mitarbeiter von Hilfsorganisationen in der Region.

Die UNO will die Rücksiedlung schnell über die Bühne bringen, weil sich in der Region in den letzten Wochen die Kämpfe zwischen afghanischen Fraktionen verschärft hatten. Die in der afghanischen Hauptstadt Kabul sowie in drei Vierteln des Landes herrschenden Taleban hatten Mitte letzter Woche die Nordprovinz Kunduz erobert und stehen erstmals direkt an der Grenze zu Tadschikistan. Die UN-Helfer befürchten, den Rückkehrern könnte jetzt der Weg verstellt werden.

Das weitere Schicksal der Flüchtlinge ist auch in ihrer Heimat offen. In weiten Teilen vor allem Südtadschikistans wurden während des Krieges ganze Dörfer zerstört. Seit Jahren laufende Wiederaufbauprogramme des UN- Flüchtlingskommissariats, des Roten Kreuzes und von Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen, Save The Children oder Deutsche Welthungerhilfe in Zusammenarbeit mit örtlichen Behörden, in deren Rahmen Baumaterial bereitgestellt wird, konnten bei weitem nicht alle Zerstörungen beheben. Allein in der Provinz Khatlon registrierte das UNHCR 1993 17.000 zerstörte Häuser.

Zudem wohnen in den ehemals verlassenen Häusern mittlerweile oft Binnenflüchtlinge aus anderen Regionen des Landes, was zu neuen Auseinandersetzungen führen könnte. Bereit 1993, während einer ersten Rückkehrwelle, war es zu Morden und anderen Übergriffen auf Rückkehrer gekommen. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa hat deshalb schon im vergangenen Jahr in den Städten Kurgan-Tjube, Dosti und Schartus Vermittlungsstellen eingerichtet, die bei Streitigkeiten zwischen Einwohnern oder diesen und den Behörden aktiv werden sollen.

Eine weitere unangenehme Begleiterscheinung des Krieges war die zunehmende Islamisierung eines Teils der Opposition. Nach dem Friedensabkommen versuchen diese Kräfte, in den von ihnen kontrollierten Gebieten in Osttadschikistan eine islamische Ordnung zu errichten. Scharia- Gerichte wurden eingerichtet, nach Taliban-Vorbild Alkohol und Zigaretten und in einem Distrikt sogar westliche Musik verboten. Das dürfte auch den zurückkehrenden Tadschiken, die wie die meisten ihrer Landsleute alles andere als orthodoxe Muslime sind, wenig schmecken. Thomas Ruttig