Greenpeacer kapern Ausrüstung

Umweltschützer wollen die Erschließung neuer Ölquellen im Atlantik vor Schottland verhindern. Seit fünf Wochen halten drei Greenpeacer den Felsen Rockall besetzt  ■ Von den Shetlandinseln Hans-Jürgen Marter

Seit fünf Wochen halten drei Greenpeace-Mitglieder den Felsen Rockall, rund 400 Kilometer vor der schottischen Küste, besetzt. Aus Protest gegen die angekündigte Erschließung neuer Ölfelder im Atlantik haben die Greenpeacer auf Rockall den für Menschen unwirtlichen Vogelfelsen für unabhängig erklärt und dort den „Global State of Waveland“ ausgerufen.

Nun wurden die Umweltschützer der Piraterie bezichtigt. Der Grund: Aktionen gegen Forschungsschiffe in der neuen Erdölprovinz „Atlantic Frontier“ westlich des schottischen Festlandes. Die Greenpeacer hatten Ausrüstungsmaterial vom Forschungsschiff „Atlantic Explorer“ entfernt. Außerdem sprangen sie wiederholt von Schlauchbooten in den eiskalten Atlantik und zwangen damit den Kapitän der „Atlantic Explorer“, seinen Kurs zu ändern, wodurch seismische Untersuchungen, die von dem Schiff aus angestellt worden waren, wertlos wurden.

Die Aktionen gegen das Forschungsschiff dauerten das gesamte Wochenende an. Ein Sprecher des Greenpeace-Koordinationsbüros in Stornoway auf den Äußeren Hebriden lobte, daß es keine Konfrontation mit den Leuten auf der „Atlantic Explorer“ gegeben habe und sich alle Beteiligten verantwortungsvoll verhalten hätten. Das beschlagnahmte Gerät sei zurückgegeben worden.

Seismische Untersuchungen sind Voraussetzung für kostspielige Probebohrungen, die wiederum Aufschluß über den Umfang der Ölvorkommen geben sollen. Greenpeace will die weitere Ausbeutung verhindern. Der Kapitän Jon Castle an Bord der „Greenpeace“ erklärte, nicht Greenpeace betreibe Piraterie, sondern die Suche der multinationen Erdölkonzerne nach weiteren Erdölvorkommen gerate zur Piraterie an der Umwelt.

Schon am 23. Juni und während der ersten Juliwoche hatten Greenpeace-Aktivisten die Forschungsschiffe „Pacific Horizon“, „Atlantic Explorer“, „Marlene Ostervold“ und „Geo Explorer“ bei ihrer Arbeit behindert. Die Schiffe sind unter anderem von den Konzernen Texaco, Conoco und Agip gechartert.

Der stellvertretende Geschäftsführer für die britische Greenpeace-Sektion, Chris Rose, bezeichnet das Verhalten der neuen Labour-Regierung als „heuchlerisch“. „Obwohl sich unsere Regierung auf dem zweiten Weltklimagipfel in New York für die Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes ausgesprochen hat, unterstützt sie die Suche nach noch mehr Öl.“

Nur im Zusammenwirken mit der Umweltschutzorganisation, so Chris Rose, könnten Tony Blair und seine Regierung ihr Versprechen von New York einhalten. „Wir können die Arbeit der Erdölkonzerne zwar verzögern und die neue Richtung zeigen, doch sind es die Regierungen, die die Bremse anziehen und die Welt in die richtige Richtung lenken können.“

Und der Sprecher in der Hamburger Greenpeace-Zentrale, Jan Rispens, sagte: „Die Ölkonzerne und die britische Regierung kennen die Folgen, die vom Treibhauseffekt erwartet werden. Aber ihr Profit ist ihnen wichtiger als der Schutz unseres Klimas.“ Daher habe sich der Staat Waveland den vernünftigen Umgang mit Rohstoffen und mit dem Klimaproblem zum Ziel gesetzt. Finanzkräftige Ölkonzerne, wie beispielsweise British Petroleum (BP), sollten unverzüglich intensiv in die Entwicklung erneuerbarer Energiequellen investieren.

Bislang hat der Protest der Umweltschützer im Atlantik die Ölkonzerne kaum in Schrecken versetzt. James May, Direktor des Interessenverbandes der offshore produzierenden Erdölkonzerne (Ukoda): „Unter Berücksichtigung des heute erreichten Lebensstandards mit all seinem Komfort erwarten die Konsumenten, daß fossile Brennstoffe jederzeit in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen.“ 330.000 Jobs im Vereinigten Königreich hängen direkt und indirekt am Erfolg der britischen Erdöl- und Erdgasindustrie.