Nahles über Schröder

taz: Frau Nahles, Sie gelten bekanntlich als Gegnerin von Gerhard Schröder. Am Wochenende hat sich der Niedersachse in der „Bild am Sonntag“ für eine rasche Abschiebung von ausländischen Kriminellen ausgesprochen. Überraschen Sie noch derartige Äußerungen des potentiellen SPD-Kanzlerkandidaten?

Andrea Nahles (Juso-Bundesvorsitzende): Ich finde es nicht überraschend, aber ärgerlich, weil sich da jemand permanent als Abrißbirne an der SPD-Programmatik betätigt. Das mag vielleicht ein Mittel zur Selbstprofilierung sein, ist aber keine gute Voraussetzung, um irgendwann einmal Verantwortung zu übernehmen. Aus Sicht der SPD-Jugend sind die Äußerungen zudem unverantwortlich. Schröder zeichnet doch indirekt in dem Interview mit der Bild am Sonntag das Bild von messerzückenden Jugendlichen, nicht nur ausländischen. So frei nach dem Motto: Statt Perspektiven – immerhin fehlen in unserem Land 250.000 Lehrstellen – gibt es jetzt eins auf die Fresse.

Agiert Schröder nicht geschickt, indem er rechts der Mitte abzuschöpfen versucht? Schließlich ist sein Ruf im linken Spektrum ohnehin lädiert.

Wer rechtem Gedankengut in der SPD Vorschub leistet, gewinnt meistens nicht. Schröder verschafft doch auch den Bündnisgrünen die Möglichkeit, ein überzeugenderes Gegenmodell anzubieten. Insofern schadet sein Interview dem Ansehen, der Glaubwürdigkeit und der Stärke der Sozialdemokraten.

Der Vorstand der Partei schweigt mehrheitlich.

Ich glaube, daß ein Teil im Vorstand diese Äußerungen jetzt einfach erträgt und sich auf den Programmkongreß im Oktober einstellt. Meiner Ansicht nach sollte sich die Parteispitze aber von Schröders Äußerungen distanzieren. Erst baut er mit seinen Äußerungen im Stern die Chance für ein rot-grünes Regierungsmodell auf, um es dann kurz darauf in der Bild am Sonntag mit dem Hintern wieder einzureißen.

Unbestritten liegt der niedersächsische Ministerpräsident Schröder aber in allen Umfragen vorn, ist Medienliebling. Ist die Kanzlerkür nicht schon gelaufen?

Auch wenn sich die Medien da gerne überschätzen – die Entscheidung ist offen.Interview: Severin Weiland