Siemens-Chef Pierer räumt vorsichtig auf

■ Nach Verschnaufpause sollen die Gewinne des Elektrokonzerns jetzt zulegen

Berlin (taz) – Ein „sanfter Mann, der aufräumt“ – so möchte Siemens-Chef Heinrich von Pierer gerne wahrgenommen werden, wie er auf der Sommerpressekonferenz des Elektrokonzerns gestern in Berlin sagte. Mit dem Aufräumen hat er inzwischen angefangen. Er baut wenig erfolgreiche Aktivitäten ab, zum Beispiel Verteidigungselektronik und Zahnarztgeräte, andere werden durch Zukäufe ausgebaut, etwa der Bahnbereich.

Sanft ist Pierer im Vergleich zu anderen Firmenbossen aber immer noch. Er fühlt sich dem Standort Deutschland mehr verpflichtet als der Gewinnmaximierung durch Arbeitsplatzabbau. Stolz verkündet Pierer: „Wir wollen und werden uns nicht zu Tode sparen.“ Der Preis dafür war jedoch über Jahre hinweg, daß die Rendite vor sich hin dümpelte und daß Siemens in manchen Geschäftsfeldern, etwa dem Mobilfunk, lange den Anschluß verpaßte.

In diesem Jahr, in dem Siemens sein 150jähriges Jubiläum feiert, scheint der Konzern aufzuholen, auch wenn vor allem die Geschäftsfelder Medizin- und Verkehrstechnik dreistellige Millionenverluste einfahren. In den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres 1997/98 stieg der Gewinn trotzdem gegenüber dem Vorjahreszeitraum um drei Prozent auf 1,7 Milliarden Mark, vor allem dank der „Wachstumsträger“ Kommunikations- und Informationstechnik. Es gingen 14 Prozent mehr Aufträge ein, der Umsatz wuchs um zehn Prozent und übersteigt in diesem Jahr 100 Milliarden Mark. Die Börse honoriert Pierers Kurs. Der Aktienkurs, der lange der Entwicklung des Aktienindexes Dax weit hinterherhinkte, hat in der jüngsten Zeit ein enormes Wachstum hingelegt.

Allerdings verlagert Siemens sein Geschäft zunehmend ins Ausland, nachdem im Inland Einbußen vermeldet werden. Noch zu Beginn des Jahrzehnts entfielen 47 Prozent des Umsatzes aufs Inland, vergangenes Jahr waren es nur noch 39 Prozent. Die Wachstumsregionen sind Amerika und Asien. Dementsprechend wird auch im Ausland Personal auf-, im Inland aber abgebaut: um 3.000 auf jetzt 200.000 Beschäftigte. Insgesamt beschäftigt Siemens jetzt 386.000 Menschen. Nicola Liebert