Durch ihre Fusion wird die Münchner Hypo- und Vereinsbank AG zum größten Immobilienfinanzierer Europas. Die Freude über die Ehe hält womöglich nur kurz an, denn schon bald könnten bis zu 7.000 Angestellte weniger beim neuen Riesen arbeiten.

Durch ihre Fusion wird die Münchner Hypo- und Vereinsbank AG zum größten Immobilienfinanzierer Europas. Die Freude über die Ehe hält womöglich nur kurz an, denn schon bald könnten bis zu 7.000 Angestellte weniger beim neuen Riesen arbeiten.

Weltmarktstrategie auf bayerische Art

So wie Blut dicker ist als Wasser, wiegt bayerische Lebensart eben mehr als das grüne Band der Sympathie. Entgegen allen Gerüchten fusioniert die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank, kurz: Hypo, nicht mit der Dresdner Bank, sondern mit der Bayerischen Vereinsbank. Durch das „gemeinsame Band der bayerischen Kraft und Lebendigkeit“ ergebe sich in der neuen Bayerischen Hypo- und Vereinsbank eine Kraft, die er sich im Wettbewerb kaum besser vorstellen könne, sagte gestern Hypo-Chef Eberhard Martini.

Ob das kulturelle Moment ausreicht, von München den Finanzplatz Deutschland oder Europa aufzurollen, wie es sich die beiden Vorstände der bayerischen Banken wünschen, ist fraglich. „Keinerlei strategischen Nutzen“ in einer Fusion der Bayern sahen bislang Analysten und Unternehmensberater. Denn bei beiden sind die Überschneidungen groß. Hypo und Vereinsbank haben aufgrund ihrer jahrzehntelangen Verwurzelung in Bayern ein dichtes Filialnetz. Die Vereinsbank hat durch die Verschmelzung mit der norddeutschen Vereins- und Westbank vor drei Jahren auch in Nord- und Ostdeutschland zugelegt. Die Hypo hat in Deutschland 592 Filialen, die Vereinsbank 667.

Auch der Gewinn der beiden war in den vergangenen Jahren ordentlich. 1996 stand in der Bilanz der Hypo ein Betriebsergebnis von 2,5 Milliarden Mark. Die Vereinsbank konnte ein Plus von 2,34 Milliarden vorweisen. Doch international sind beide wenig vertreten. Anders als Dresdner Bank oder Deutsche Bank sind die Bayern nicht nach Großbritannien gegangen, um in das lukrative Investmentgeschäft zu stoßen. Beide Banken machen ihren Hauptumsatz – neben dem Privatkundengeschäft – mit Immobilienfinanzierungen und in der Vermögensverwaltung. Der Zusammenschluß sei daher „unter Gleichen“ geschehen, wie Martini sagte. „Wir wollen keine neue Großbank in Deutschland sein.“

Ganz so bescheiden brauchen sich Martini und sein Vereinsbank- Kollege Albrecht Schmidt nicht zu geben. Immerhin wird ihr Institut zur zweitgrößten Bank in Deutschland und zur fünftgrößten in Europa. Sie konnten für das Jahr 1996 zusammengerechnet eine Bilanzsumme von 743 Milliarden Mark und ein Eigenkapital von 19 Milliarden Mark vorweisen. Damit werde die Bayerische Hypo- und Vereinsbank zum größten Immobilienfinanzierer Europas.

Bis es soweit ist, müssen noch die Aktionäre der Hypo ihre Aktien hergeben. Sie sollen für sechs Hypo-Aktien je eine Allianz-Aktie aus dem Fundus der Vereinsbank bekommen. Die hält an dem Münchner Versicherungskonzern 10 Prozent. Zugrunde gelegt wird der Kurs vom vergangenen Freitag, als nach Börsenschluß auch die ersten Gerüchte über die bayerische Lösung aufgekommen waren. Der Aktientausch ist für Hypo- Aktionäre durchaus attraktiv: Am Freitag kostete eine Allianz-Aktie 450,50 Mark. Ein Hypo-Papier notierte nur mit 58,50 Mark. Mit dem Tausch bringt die Bank-Aktie also 75 Mark oder 28 Prozent mehr. Die Vereinsbank will bis zu 45 Prozent der Hypo-Aktien auf diese Weise erhalten.

Rund 68 Prozent der Hypo-Aktien befinden sich derzeit in Streubesitz bei in- und ausländischen Anlegern. Die meisten von ihnen sind in Versicherungen, Investmentfonds und Banken gebündelt. Als Großaktionäre sind an der Hypo bislang die Allianz mit 22,6 Prozent beteiligt, die Bayerische Versicherungskammer mit 10 Prozent, die Münchner Rückversicherung mit 5,8 Prozent und die „Lebensversicherung von 1871“ mit 4 Prozent. Am künftigen Gemeinschaftsunternehmen Hypo- und Volksbank wird die Allianz 15,9 Prozent halten. Laut Hypo-Chef Martini gebe es „mit Sicherheit keinen Mehrheitsaktionär“.

Ab Oktober werden die beiden Banken von sogenannten Verschmelzungsexperten zusammengebracht. Das Bundeskartellamt muß der bayerischen Fusion in den kommenden vier Wochen noch zustimmen. Man habe jedoch schon Vorgespräche geführt, hieß es aus dem Kartellamt. Bislang gebe es in der Behörde keine Bedenken gegen die Fusion, man habe aber noch nicht alle Unterlagen geprüft.

Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber war gestern noch begeistert von der bayerischen Lösung. Die Banken im Freistaat würden dadurch gestärkt, ja überhaupt der Finanzplatz Bayern im internationalen Geschehen aufgewertet. Die Preußen von der Dresdner Bank bleiben zwar draußen, aber die Freude über das Münchner Heimspiel könnte bald umschlagen. Die Synergieeffekte, die Einsparmöglickeiten durch Überschneidungen also, sind nämlich bei beiden Banken so groß, daß in den kommenden fünf Jahren zwischen 5.000 und 7.000 Bankangestellte weniger bei der neuen bayerischen Großbank arbeiten werden.

Die Gewerkschaften kündigten gestern bereits Streiks und harte Verhandlungen an. Unruhe in der bürgerlichen Mittelschicht zwischen Main und Inn jedoch werden Stoiber im bayerischen Landtagswahlkampf 1998 nicht guttun. „Aber nein“, wiegelte daher schon Hypo-Chef Martini ab. Es gebe keine Massenentlassungen, nur natürliche Fluktuation. Jedes Jahr würden rund 3.000 Mitarbeiter die Hypo und die Vereinsbank von allein verlassen. Durch den Zusammenschluß werde hingegen „der allergrößte Teil der existierenden Arbeitsplätze abgesichert und erhalten“. Ulrike Fokken