ÖTV weist Solidarpakt brüskiert zurück

■ ÖTV lehnt Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich ab. Keine Etatsanierung auf dem Rücken der Beschäftigten

Die Chancen auf neue Modelle zur Arbeitsplatzsicherung im öffentlichen Dienst scheinen vertan. Angesichts des fortgesetzten Stellenabbaus in der Verwaltung und geplanter betriebsbedingter Kündigungen in Landeseinrichtungen stehen sich Senat und ÖTV unversöhnlich gegenüber.

„So geht das nicht“, kommentierte ÖTV-Sprecher Ernst-Otto Kock barsch den Vorschlag von Umweltsenator Peter Strieder (SPD), mit einem Solidarpakt im öffentlichen Dienst Arbeitsplätze zu schaffen. Unter den Bedingungen sinkender Reallöhne komme ein solcher Pakt nicht in Frage, sagte Kock der taz. Damit rückt die ÖTV von einem vorsichtig formulierten Angebot von Arbeitszeitverkürzung ohne vollen Lohnausgleich ab, das sie vor einem Jahr intern unterbreitet hatte.

Strieder hatte gefordert, durch Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich Neueinstellungen zu ermöglichen. 22.000 zusätzliche Arbeitsplätze könnten, so der SPD-Mann, eingerichtet werden. Dabei dürfe es den Beschäftigten im öffentlichen Dienst nicht zugemutet werden, für ein „anonymes Sparziel“ Opfer zu bringen. Wenn aber durch Verzicht neue Arbeitsplätze geschaffen würden, werde es laut Strieder „eine breite Zustimmung geben“.

„Die Beschäftigten werden eine weitere Reduzierung der Einkünfte nicht dulden“, prophezeit ÖTV-Sprecher Kock. „Die Leute in Westberlin mußten erkennen, daß sie auf dem Lohnniveau von 1985 angelangt sind.“ Nur in Einzelfällen sei der freiwillige Verzicht möglich, „die Masse der Beschäftigten (ist) darauf angewiesen, Vollzeit zu arbeiten“.

Die ÖTV lehnt den vorgeschlagenen Solidarpakt inzwischen jedoch auch grundsätzlich ab. Angesichts dessen, daß der Senat die Streichung Zehntausender Stellen fortschreibe, um anschließend von den Beschäftigten die Umverteilung zu fordern, so Kock, „ist die Forderung nach Verzicht ein Faß ohne Boden“. Während in den vergangenen Jahren kritisiert worden sei, der öffentliche Dienst würde als Instrument mißbraucht, die Arbeitslosigkeit zu kaschieren, stelle sich sich die Situation jetzt ganz anders dar: „Jetzt wird der öffentliche Dienst tatsächlich als Instrument mißbraucht. Der Haushalt soll auf dem Rücken der Beschäftigten saniert werden.“ Vor einer umfassenden Diskussion müsse deshalb noch viel Vorarbeit von seiten des Senats geleistet werden.

Die Regierungsparteien schlagen indes eine ganz andere als die von der ÖTV geforderte Richtung ein. Mittlerweile kündigte Axel Wallrabenstein, Sprecher der Kulturverwaltung, in der Welt betriebsbedingte Kündigungen an Theatern an. Auch in Krankenhäusern soll es Entlassungen geben. Und der SPD-Haushaltsexperte Klaus Wowereit meldete bereits weitergehende Begehrlichkeiten an: „Mit dem Verzicht auf Kündigungen in Haupt- und Bezirksverwaltungen“ habe Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) „in den Verhandlungen ein wichtiges Instrument aus der Hand gegeben“. Damit hätte man, so Wowereit, gegenüber der ÖTV einen Solidarpakt erzwingen können. „Drohungen bringen keinen Motivationsschub für Gehaltsverzicht“, gab ÖTV-Sprecher Kock dem Genossen Wowereit zurück. Barbara Junge