Weltenglanz im Norden

■ Unter dem Titel Gottorf im Glanz des Barock zeigt das Schleswig-Holsteinische Landesmuseum Kunst und Kultur am Schleswiger Hof

Weniger als zwei Stunden nördlich der spröden Hansestadt entfaltet sich an der Schlei der ganze Prunk barocker Weltaneignung. Im Schloß Gottorf feiert das Schleswig-Holsteinische Landesmuseum sein 50jähriges Bestehen in Schleswig mit einer prachtvollen Ausstellung. Sie zeigt Kunst und Kultur am Schleswiger Hof von 1544 bis 1713 mit mehr als 500 Exponaten in 29 Räumen. Die aufwendige Ausstellung macht das Areal der Schloßinsel mit seinen zahlreichen Museumsabteilungen von Wikingerschiffen bis zu moderner Kunst für einen Ausflug noch attraktiver.

Das Herzogtum Gottorf bestand aus Teilen Schleswig-Holsteins zwischen Husum, Schleswig, Kiel und Reinbek. Seine Eigenständigkeit zwischen den Großmächten Dänemark und Schweden währte nur eineinhalb Jahrhunderte. Es war militärisch und machtpolitisch unbedeutend, aber im 17. Jahrhundert eine überragende kulturelle und wissenschaftliche Größe. Mitten im dreißigjährigen Krieg schickte Herzog Friedrich III. eine Expedition ins persische Reich. Die mitgebrachten Seiden, Keramiken, Metallarbeiten, Waffen, Miniaturen und Teppiche sind im Hirschsaal aus dem späten 16. Jahrhundert mit seinen lebensgroßen Stucktieren zu sehen.

Der universalistische Herzog hatte eine der bedeutendsten Wunderkanmmern der Zeit: Elfenbeingefäße und Korallenplastiken, Buddhafiguren und edle Uhrwerke, seltene Naturalia und Silberaltare, Weltmodelle und 21 Bilder von Lucas Cranach. Viele der Objekte, die 1743 nach Kopenhagen abtransportiert wurden, sind nun als Leihgaben aus der dänischen Schatzkammer wieder am alten Ort versammelt. Doch die Wirkung der Gottorfer Herzöge beschränkt sich nicht auf das Anhäufen von Pretiosen. Friedrich III. holte holländische Siedler ins Land und gründete Friedrichstadt, Friedrichs Sohn Christian Albrecht gründete 1665 die Kieler Universität.

Mit der seit zehn Jahren geplanten Großausstellung setzt der Direktor des Hauses Prof. Heinz Spielmann mit Sponsorenhilfe und ohne zusätzliche Staatsgelder kurz vor seiner Pensionierung einen Glanzpunkt seiner Amtszeit. Der Ausbau von Schloß Gottorf zu einem überragenden Kulturzentrum ist mit der jahrelangen Restaurierung des eigentlichen Schlosses und der Gewinnung dreier bedeutender Sammlungen expressionistischer Kunst noch nicht beendet. Ein Abguß der in großen Teilen wiedergefundenen barocken Kolossalfigur „Herkules im Kampf mit der Hydra“schmückt den wiederangelegten Teich im Fürstengarten. Auch die Orgel in der Schloßkapelle, einem der besten Intarsien-Prunkräume Nordeuropas, wird zur Zeit völlig restauriert.

Zudem wirbt die Ausstellung mit eigens angefertigten Modellen und einer Dokumentation in einem der vier Katalogbände auch für den baldigen Wiederaufbau eines technisch-kulturellen Wunders, des Gottorfer Globus. Mit über drei Metern Durchmesser war dieses um 1660 in einem eigenen Haus gebaute Weltmodell eine einzigartige Erfindung. Durch Wasserkraft einmal in 24 Stunden gedreht, war es Außen Weltkarte, im betretbaren Inneren aber ein geozentrisches Planetarium. Nach der Einverleibung in den dänischen Gesamtstaat, schenkte König Frederik IV. das berühmte Objekt Zar Peter dem Großen. Es wurde, gleichsam „Beutekunst“für militärischen Beistand, noch im gleichen Jahr nach Rußland abtransportiert. Damit ging die Blütezeit Gottorfs zu Ende. Hajo Schiff Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum Schloß Gottorf, Schleswig, bis 19. Oktober