Die unerträgliche Zärtlichkeit der Holzfaserverkabelung

■ Größe und Größenwahn: Y-Ton-G zeigt drei archaische Mulitimedia-Performances im B-Movie

Gleich zu Beginn attackiert eine nur scheinbar harmlos herumschwimmende Ente ein ganzes Hochhaus und erschüttert es in seinen Grundfesten. Unbekümmert um ihr Zerstörungswerk wippt die Ente wie ein Korken auf den Wellen und durchschneidet das auf dem Wasser liegende Spiegelbild des Unilever-Hochhauses. Größenwahn und Zärtlichkeit sind schon im ersten Video erkennbar, das Y-Ton-G in seinem jüngsten Solo-Performance-Programm zeigt.

Der Multimedia-Künstler Y-Ton-G nutzt die Bühne der Hörbar, um drei Performances – Naturidentisch, Projekt Datenholz, WY-Ton-G – an einem Abend zu zeigen. Wie schon auf seiner CD Klangspiegel – einer vergessenen Wesenheit weigert sich Y-Ton-G, herkömmliche Instrumente auch nur in seine Nähe zu lassen und bastelt sich sich seine Klangerzeuger selbst: Metallskulpturen, Steintürme, Holzgerüste. Aus Abfall macht Y-Ton-G Fund-stücke und Sammelobjekte. Und was er vorführt, sind wiederum kleine Funde.

In Naturidentisch führt Y-Ton-G unter anderem einen alten Farbeimer vor. F.M. Einheit von den Einstürzenden Neubauten würde vorschlaghammerschwingend erproben, wie der Klang sich mit zunehmendem Verbeulungsgrad ändert. Y-Ton-G faßt nur den Henkel und schiebt ihn nach vorn wie den Warp-Regler der Enterprise, zärtlich und beinahe ebenso erstaunt ob der eigenen Courage. In dieser Zärtlichkeit und Langsamkeit bleibt dem Quietschen nichts Agressives mehr: Es entfaltet sich in den verschiedensten Schichten, es läßt sich durchlaufen wie ein großzügig angelegter Lunapark.

Wer sich beschwert, daß in dem Video zu Projekt Datenholz Ausschnitte aus dem Naturidentisch-Video gezeigt werden, hat die Recyclingsethik des Bastelns übersehen. Man kann, so sagt das Basteln, die in den Dingen steckenden Möglichkeiten nie vollständig ausschöpfen. Projekt Datenholz versucht, das Holz als Informationsvermittler zu etablieren. Wie setzt sich der Impuls durch den Balken fort, wie funktioniert das mit der „Holzfaserverkabelung“? Y-Ton-G streicht über die Balken, daß man meint, die Fasersprünge und Astlöcher hören zu können. Das ist auch der Punkt, an dem der Respekt vor dem Material in Größenwahn umschlägt: Y-Ton-G vor dem Holzaltar, als Prophet eines besseren, weil im Einklang mit dem Wesen der Dinge handelnden Lebens.

Man kann das Schamanenhafte an Y-Ton-Gs Performances lästig finden. Man kann die Langsamkeit von WY-Ton-G ausnehmend nervig finden. Die Verletzlichkeit aber, die in der paradoxen Verkettung von Angst vor der Größe des Entdeckten und der Gewalttätigkeit der Missionierung aufscheint, ist in ihrem ganzen Pathos zu bewundern.

Matthias Anton

noch heute und 24., 29. 31. Juli, 21 Uhr, B-Movie