■ Gegen Langeweile in der Provinz ist doch ein Kraut gewachsen: Eine Marburger Studentenzeitung bläst zur Jagd auf Sexisten
: UVW-Syndrom voll im Trend!

In Marburg besteht kein Mangel an Fachwerkhäusern, Treppen, Kopfsteinpflaster und Studenten. Doch manchmal ist das Leben schwer in der Provinz, in dem „Märchenort voll verpinkelter Winkel und Mittelalter“ (Max Goldt) macht sich die Langeweile breit und die Leute gründen ernste Grüppchen, die z.B. Anti-Patriarchaler Männer-Ratschlag heißen. Es gibt aber auch den Christus Treff, das Radio Unerhört Marburg, mehrere Burschenschaften, die Freiwilige Feuerwehr und einige Autonome FrauenLesben. Und es gibt die linke stadt- und unizeitung Marburg Virus, deren vereinsamte Redaktion („Die Leute gehen uns aus ... die gegen null gehenden Zuschriften von außen“) im konspirativen Kämmerlein sitzt und davon träumt, sie hätte mit ihrer jüngsten Ausgabe „mal den linken Zeitgeist getroffen, da sich die Sexismen in Marburg in letzter Zeit gehäuft hatten“.

Wo sich die -ismen häufen, häuft sich auch der Superlativ, den die Redaktion des Marburg Virus gleich dreimal benötigt, um die Eigenschaften von ihrer Meinung nach entarteter Literatur zu beschreiben: „Goldt, Max – noch so ein linker Satiriker, in dessen Satiren sexuelle Gewalt integraler Bestandteil ist, sexuelle Gewalt in grausamster, zynischster und frauenverachtendster Weise dargestellt wird, was aus irgendeinem Grund lustig sein soll. Als Lektüre, zum Überprüfen: Max Goldt: Die Radiotrinkerin.“

Da im neuen Marburg Virus zum Schwerpunkt Antifeminismus „die Beiträge von der Redaktion ausschließlich von Männern geschrieben werden“, wie das Redaktionskollektiv selbstkritisch anmerkt, liegt die Vermutung nahe, daß sich die Jungs auf der ich-bin- ein-Frauenfreund-und-in-der- Frauenfrage-ganz-weit-vorne-Schmierschiene (Droste) bei den Autonome(n) Marburger und Gießener FrauenLesben anbiedern wollten. Diese hatten schon im März vor einer Lesung mit Max Goldt mittels einer Flugblatt-Aktion gegen die Veranstaltung protestiert. Ihr Vorwurf: „...Max Goldt bezieht keinen eindeutigen Standpunkt, es wird nicht klar, ob er als Feminist, Linker oder sexistisches Arschloch schreibt.“ Daraufhin kommentierte der Marburger Autor Nils Folckers in der Juli-Ausgabe der Programmzeitung Kulturbeben treffend: „Wie einst Michael Schanze sang: Du mußt dich entscheiden/drei Felder sind frei. Aber so platt ist Literatur eben nicht.“

Schon vorher hatte sich Folckers unbeliebt gemacht. Um „den AktivistInnen zu helfen, die die wirklich frauenfeindlichen Bücher überhaupt nicht kennen“, schrieb er einen Text über die amerikanischen Science-fiction-Romane um den Planeten Gor, „in dem Frauen nur als Lustsklavinnen vorkommen“. Damit wurde Folckers zum meistgehaßten Mann Marburgs. Der Marburg Virus setzt nun auf die Methoden Eduard Zimmermanns und ruft die Leserschaft zur Hatz auf: „gesucht/Foto und Adresse von Nils Folckers/wir wollen ihn auch gerne treffen/ob mit einer Gerade oder einem Haken“, heißt es auf Seite 22. Neben und über der Suchmeldung prangen reichlich unbeholfene Zeichnungen, die kastrierte Männer darstellen. Die FahnderInnen unterschreiben als Frauke Nielsen / Anonyme Geschädigten des U.V.W.- Syndroms * (* Unverständnis, Verletztheit, Wut) Thelma & Louise / Riot Grrrl Band Marburg und die K.O.tinnen.

Verletzt, wütend und erwartungsgemäß unverständig, erfindet Frauke Nielsen an gleicher Stelle den Planeten Sore als „Replik“ auf den Science-fiction-Buchtip von Folckers und bemüht sich angestrengt, lustig zu sein: „Sämtliche Männer sind rechtlose Kerzenständer, Bettvorleger, Sofakissen usw. Nicht etwa widerwillig, sondern tot. (...) Einige Männer werden in Käfigen eingesperrt am Leben gehalten, um als Samenspender zu dienen. Das ist für sie jedoch die schlimmste Strafe. So werfen sie sich gegen die Gitterstäbe, denn lieber würden sie sich tot zum Rasenmäher umarbeiten lassen, als ganz auf die zärtliche Berührung einer Frauenhand zu verzichten.“

So sieht es aus in Marburg. Über Fachwerkhäusern und verpinkelten Winkeln kreisen der Planet Gore und der Planet Sore. Letzterer allerdings befindet sich dort, wo auch seine Erfinderin und ein versprengtes Häuflein Gleichgesinnter von mir aus unerfräulich (Nielsen) versauern können, nämlich „für immer hinter dem Mond“.

Dort wäre auch das Marburger „Radio Unerhört“ („links und frei“) besser aufgehoben: Hier ist inzwischen das Abspielen von Wiglaf-Droste- oder Max-Goldt- CDs verboten. Radiodiskussionen über „Droste, Rutschky und die Folgen“ führen ausschließlich feministisch korrekte Moderatoren mit feministisch korrekten Gästen – aus Angst, das Häuflein selbsternannter SexistenjägerInnen könnte den ganzen Laden spalten. Matthias Thieme