Computerkurse als Therapie

■ Ein Begegnungshaus in Mostar will vom Krieg traumatisierten Frauen Starthilfe bei ihrem beruflichen Neuanfang geben

Mostar (taz) – Noch vor einigen Monaten bestimmten ausgebrannte Fernsterhöhlen das Bild der Mladena-Balorde-Straße in Ostmostar. Jetzt haben sich neue Cafés und Läden im Erdgeschoß der zumeist einstöckigen Häuser angesiedelt. Eines der besonders prächtigen Eckhäuser ist vollständig renoviert. Das „Schweizer Haus Mostar“ ist, äußerlich betrachtet, ein Schmuckstück geworden. Und auch das, was dort inhaltlich getan wird, kann sich sehen lassen.

Mit Hilfe des Schweizerischen Arbeiterhilfswerkes (SAH) und Spenden aus Deutschland haben die Initiatorinnen – eine Gruppe von bosnischen Frauen der Frauenvereinigung Vrelo – hier ein Begegnungshaus für traumatisierte Frauen geschaffen. In den geschmackvoll im bosnischen Stil wiederhergerichteten Räumen sollen Frauen nicht nur „Kraft schöpfen, sich austauschen und Entspannung finden“, sondern auch die Möglichkeit erhalten, sich ausbilden zu lassen.

Neben Computer- und Buchführungskursen sollen sie sich Kenntnisse und Fähigkeiten für das Management von Betrieben aneignen. „Wir wollen neue Perspektiven für die Frauen schaffen“, sagt Marianne Roth, Vertreterin des Schweizerischen Arbeiterhilfswerkes aus Zürich. Die seit vier Jahren in Bosnien für die Belange von Frauen wirkende Projektleiterin Hannelore Rückert betont angesichts der traditionellen Rollenzuweisung in der bosnischen Gesellschaft zudem die „Stärkung der Selbstinitiative der bosnischen Frauen“.

Viele der im Projekt aktiven Frauen kommen aus Flüchtlingsfamilien, deren Situation trotz des jetzt herrschenden Friedens alles andere als rosig ist. Den meisten Familien steht nur ein Wohnraum zur Verfügung, oftmals müssen die sanitären Einrichtungen mit anderen Familien geteilt werden. „Ich hoffe, daß ich über dieses Projekt Arbeit finden oder selbst etwas aufbauen kann“, sagt eine der zahlreichen Besucherinnen.

Seit 1995 versucht die Frauenorganisation Vrelo über ihre Projekte neue Betriebe aufzubauen. Sie will den Frauen zumindest die Möglichkeit geben, ein Zubrot zu verdienen. So entstanden Kleinunternehmen zur Milch- und Gemüseproduktion, ein anderes Projekt ist im Textilbereich angesiedelt. Mehr als fünfzig Familien haben so eine Existenzgrundlage erhalten. In Zusammenarbeit mit der Weltbank und anderen Institutionen sollen nun Mikrokredite vergeben werden, die den Start von weiteren Kleinbetrieben ermöglichen. Auch deshalb macht es Sinn, die Frauen für die dazu benötigten Aufgaben zu qualifizieren.

Daß mit der Schweizer Nationalrätin Angeline Fankhauser und dem ehemaligen Administrator von Mostar, Hans Koschnick, auch Prominenz zur Eröffnungsfeier am vergangenen Montag anwesend war, freute die Frauen. Zusammen mit der deutschen Sozialdemokratin und Europaabgeordneten Mechthild Rothe gelang es ihnen, das Geld für das gemeinsam unterstützte Projekt aufzutreiben. Koschnick spendete einen Teil seines vom Bundesland Hessen verliehenen Friedenspreises, Mechthild Rothe sammelte 130.000 Mark in ihrer Heimatregion Paderborn.

Doch der größte Teil der Finanzierung kommt aus Zürich. Angeline Fankhauser, Generalsekretärin des Schweizerischen Arbeiterhilfswerkes, peilt nun einen noch größeren Rahmen für die Bosnienhilfe ihrer Organisation an. Daß die Schweiz den Rückkehrern bei ihrer Ankunft in Bosnien nicht nur Überbrückungsgelder zahlt, sondern auch eine gleich hohe Summe für die in Bosnien Gebliebenen, findet sie richtig. Sie möchte jedoch darüber hinaus Strukturen schaffen, in denen auch „konkrete wirtschaftliche Perspektiven für die Reintegration von Flüchtlingen“ entwickelt werden.

Daß Projekte wie das „Schweizer Haus Mostar“ nur in begrenztem Maß die Verhältnisse verbessern helfen, weiß auch Hans Koschnick. Nach seinem Rückzug aus Mostar ist er deshalb weiterhin in der EU und in Deutschland für Bosnien aktiv. Bei dem privaten Besuch an seiner alten Wirkungsstätte schlugen ihm deshalb von seiten der Bevölkerung auch große Sympathien entgegen. Passanten blieben stehen und klatschten, als er durch die Altstadt ging.

Daß gerade am Tag der Eröffnung des „Schweizer Haus Mostar“ die Polizei von Ost- und Westmostar vereinigt wurde, mag da vielleicht ein gutes Omen sein. Erich Rathfelder