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Zwangsmusterung à la Preußen

■ Neue, ganz alte Rekrutierungsmasche: Der Musterungsarzt klingelt morgens um sieben und stellt vor Ort die Tauglichkeit per Augenschein fest. Kampagne gegen Wehrpflicht läßt „einmaligen Fall“ prüfen

Die Bundeswehr hat ihr Service-Angebot erweitert: Musterungen werden jetzt auch zu Hause durchgeführt. So geschehen am Mittwoch morgen in der Küche von Frederik Luhmer. „Ein Ausnahmefall, ein Eilfall“, wiegelt Ewald Gräber, Leiter des Kreiswehrersatzamtes, den Vorfall – bisher wohl einmalig in der Geschichte der Bundeswehr – ab.

Sechsmal hatte Frederik Luhmer, Jahgrang 1971, vom Kreiswehrersatzamt eine Vorladung zur Musterung erhalten. Sechsmal war er der Aufforderung nicht nachkommen, „aus politischen Gründen und aus Gewissensgründen“. Gräber dagegen sagt: „Luhmer hat versucht, sich durch arglistige Täuschungen der Wehrpflicht zu entziehen.“ Er habe, um den Musterungstermin zu umgehen, falsche Angaben über seinen jeweiligen Aufenthaltsort gemacht. Er habe das Kreiswehrersatzamt mehrfach schriftlich übers Ohr gehauen. Für Gräber war daraufhin klar: „Dieser Einsatz von so viel intellektueller Energie, wenn wir nicht krimineller Energie sagen wollen, gestattet außergewöhnliche Mittel.“ Zum Beispiel die Sofortmusterung gleich zu Hause. Als Leiter des Kreiswehrersatzamtes habe er Anzeige gegen Luhmer erstattet wegen „Wehrpflichtverletzung durch Täuschung“ – vor allem, um eine rechtliche Handhabe zu haben, den 26jährigen mit Unterstützung der Polizei zu Hause stellen zu können.

Am Mittwoch morgen, gegen 6.30 Uhr, drangen zwei Polizisten gewaltsam in die Wohnung von Frederik Luhmer ein – durch Aufbohren der Tür. Rissen dem 26jährigen die Bettdecke weg, hielten ihm den Durchsuchungsbefehl unter die Nase, durchforsteten sein Zimmer, packten unter anderem Informationsmaterial der Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär ein, von der sich Luhmer seit längerem beraten läßt. Dann gingen sie mit ihm in die Küche, um den Vorfall zu protokollieren. „Plötzlich standen zwei Beamte des Kreiswehrersatzamtes und eine Ärztin in der Tür“, sagt Luhmer. Diese hätten ihn aufgefordert, sich zur Musterung aufs Kreiswehrersatzamt zu begeben. Er habe sich geweigert. Daraufhin sei er von der Ärztin per Augenschein gemustert und für tauglich befunden worden. Dann sei ihm lapidar mitgeteilt worden: Mit dem Musterungsbescheid werde er in Kürze gleich auch den Einberufungsbescheid einhalten. „Ob eine Musterung zu Hause zulässig ist, oder ob es sich beim ungebetenen Eindringen von Beamten des Kreiswehrersatzamtes in eine Privatwohung nicht schlicht um Hausfriedensbruch handelt, wird anwaltlich geprüft“, sagt Michael Behrendt von der Kampagne.

Ewald Gräber verteidigt das harte Vorgehen des Kreiswehrersatzamtes. „Das war eine Gelegenheit, Luhmer endlich im Inland zu erwischen.“ Ein Eilfall, gibt Gräber zu, wäre der 26jährige nicht gewesen. Er gehöre nicht zu jenem auslaufenden Jahrgang (1969), der jetzt noch schnell gemustert und eingezogen werden muß. Aber: die arglistige Täuschung rechtfertige die Aktion. Jens Rübsam

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