„O klasse, das ist cheesy!“

Es hat keinen Wert, aber jeder liebt es: Wenn Pop noch nicht seine Unschuld verloren hätte, würde er sich diesen Sommer Papas Fritas nennen  ■ Von Jörg Heiser

Seltsam, seltsam: Papas Fritas sind eine der frischesten und schwärmerischsten Girl/Boygroups des ausgehenden Gitarrenpop-Zeitalters; Independent-Ideologien gleiten an der entwaffnenden Klarheit ihrer Songs ebenso ab wie zermürbende Marktmechanismen; und zudem heißt ihr Gitarrist und Haupt-Songwriter auch noch ganz glamourös Tony Goddess.

Aber von Glamour und Pop- Images will Mr. Goddess, aufgewachsen im verschlafenen US- Staat Delaware (der seinen Angaben nach ansonsten nur noch George Thorogood und Tom Verlaine hervorgebracht hat), gar nichts wissen. Der Dreiklang seiner porös-transparenten Stimme mit denen von Drummerin Shivika Asthana und Bassist Keith Gendal kann noch so durchweht von den Kinks oder dem Popminimalismus des Frühachtziger-Trios Young Marble Giants sein – von britischem Popverständnis ist er weit entfernt. Als ich, ermutigt durch die Harmoniegesänge, an die Achtziger-Jahre-Girlgroup Bananarama erinnere, weist Tony Goddess nett verschroben, aber auch ein bißchen verbohrt jeden Englandbezug betont von sich, versteigt sich dann zu einer musikmathematischen These über die strukturellen Unterschiede zwischen amerikanischen und englischen Akkord-Progressionen und landet zuletzt bei einem deutlichen „Die Akkorde und Melodien, die wir schreiben, sind für mich amerikanisch!“. Gott sei Dank sitzt das gemeinte „amerikanisch“ aber eben nicht fett in der Mitte der amerikanischen Rockideologie von Weite und Verwurzelung, sondern schreibt eine marginale Geschichte des unrockistischen Rocks fort, wie ihn seit den Siebzigern z.B. die unglamourösen, um nicht zu sagen unvorteilhaft gekleideten NRBQ spielen.

„Will nicht wie ein Arschloch klingen“

Von „marginaler Geschichte“ und „unrockistischem Rock“ will Tony Goddess allerdings nicht viel wissen. Ihn interessiert dann doch eher das Popideal und seine Ähnlichkeit mit dem eingesessenen amerikanischen Egalitätsprinzip: Es ist billig, überall zu kaufen, und jeder darf es benutzen. „Ich will den Sell-Out! Es gibt KEINEN Grund, eine Platte herauszubringen, Geld in ihre Vermarktung zu stecken, wenn man nicht will, daß Leute sie kaufen und sich als Teil der Sache empfinden.“ Was hier beinahe wie eine Kleinunternehmer-Küchenphilosophie klingt, hat als Musik viel mehr von einer Hier-und-jetzt-Utopie kindlicher, manchmal auch kindischer Antihierarchie: „Boys and girls should be as one“, singen Papas Fritas beschwingt im Opener des selbstbetitelten Debüts. Das hatten die drei noch unter absoluten Low-Fi-Bedingungen aufgenommen, mit über die Trommeln gehängten T-Shirts, damit's trocken und nah klingt. Das zweite Werk „Helioself“ ist opulenter, gleißender, mit Arrangements, die so simpel daherkommen, wie sie geschickt getimed sind. „Ich will nicht wie ein Arschloch klingen, aber du kannst Leuten auf diese Weise was unterjubeln. Brian Wilson von den Beach Boys machte die denkbar komplexesten Dinge und ließ sie klingen, als wäre es das Selbstverständlichste. Große Musik kommt nicht daher und sagt: Hör mir zu, hör, wie komplex ich bin. Steely Dan wollten so perfekt wie nur möglich sein, aber die Leute legten ihre Platten auf und sagten: O klasse, das ist cheesy, dazu kann ich tanzen.“

„Deshalb heißen wir ja gerade Papas Fritas“

Womit Donald Fagen und Walter Becker wahrscheinlich auch noch ein Problem haben. Papas Fritas ganz bestimmt nicht; denn wo im britischen Pop-Dandyismus (oder im zynischen Studiomusikertum Steely Dans) die Selbstermächtigung des Künstlers im Vordergrund steht, geht es ihnen beinahe schon zu bescheiden um die Selbstermächtigung des gebrauchenden, genießenden Fans. „Deshalb haben wir uns auch Papas Fritas genannt, so heißen Pommes Frites auf spanisch, und Fritten sind Junk food: Es hat keinen Wert, aber jeder liebt es. Und außerdem kann man es wie ,Pop has freed us‘ aussprechen.“

Papas Fritas: „Papas Fritas“ (Mintyfresh/RTD)

Papas Fritas: „Helioself“ (Mintyfresh/RTD)