■ Vorgespult: Salto mortale mit Heckenschere
„Tacheles mit Dr. Klaun“, So., 20.05 Uhr, Radio Brandenburg
Die Firma Hortag hat Sinn für verflossene Werte: „Sie gelten als Clown mit besonderer Noblesse, deshalb haben wir Sie angeschrieben“, teilt sie dem einstigen Starclown Dr. (!) Klaun mit. Das ist auf den ersten Blick ein netter Zug der Gesellschaft, die ihr täglich Brot mit eher handfester Ware verdient: „Schredder, Mäher, Heckenschneider – die bekannt bedienungsleichten!“ kräht Schröder, der windschnittige Juniorchef, schon in der ersten Verhandlungsminute. Weiter im Management: Senior Kleefisch (gönnerhaft, kann notfalls auch anders) und Lippert, das geeichte Mittelmaß.
Auf der anderen Seite die alte Kunstwelt in Form des einstigen Starclowns. Man will ihm ein paar Werbespots abkaufen, „Salto mortale mit Heckenschere“ und dergleichen. Natürlich muß man sparen, und so hätten die Herren gern Sensationelles in Sekundenschnelle. Wie die glänzende „Teekannennummer“ diesmal mit „H 16 Gießkanne und Düseninfusor“. Hemmungslos greifen sie in Klauns Repertoire. Auch von Qualität verstehen sie wenig, denn ihre Lieblingsnummern sind seine miesesten.
Ein Plot, der hier in die Gleichung „Kunst: moralisch – Geld: stinkt!“ abstürzen könnte. Tut er aber nicht, weil Autor Rainer Puchert klar den Dialog als Zirkusnummer einsetzt. Seine Sprachtricks und Gedankensprünge stammen direkt aus dem Fundus des Absurden. Man verspricht sich, verhört sich, leiert Wortlisten herunter und redet aneinander vorbei. So ist „Tacheles“ ein kleines Stimmballett aus näselnder Attitüde, sonorer Selbstgefälligkeit, aalglatter Anbiederung, in dem ein philosophischer Clown gegen die Geschäftsfloskel-Front antanzt. Die Geschichte läuft grotesk-ironisch aus dem Ruder und ist irgendwann einfach aus. Ein witziges Hörstück in bester ORB-Tradition, das mit dem Genre spielt, ohne vom Klischee verschluckt zu werden. Dennoch verführt es zu ein bißchen Melancholie. Schließlich war es das vorletzte Band dieser engagierten Redaktion, die ab August in der SFB/ORB-Radioreform aufgeht.Gaby Hartel
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