Portugal verliert die Formel 1

■ Staat erläßt der Rennstreckenfirma riesige Steuerschulden – ohne Erfolg

Lissabon (taz) – Weniger Staat, mehr Privatinitiative – dieses Credo hat sich auch die sozialistische Regierung Portugals aufs Panier geschrieben. Und so wird nach und nach alles privatisiert, was es zu privatisieren gibt. Wo es allerdings um das Ansehen Portugals im Ausland geht, wird der umgekehrte Weg eingeschlagen: staatliche Beteiligung an einem Privatunternehmen.

Und wo geht es um Portugals Image? Beim Autorennen, sagt Wirtschaftsminister Augusto Mateus. Wenn einmal im Jahr der Formel-1-Zirkus im Ferienstädtchen Estoril am Atlantik einfällt, dann findet Portugal im Fernsehen rund um den Erdball Erwähnung. Auf diese Werbung kann das Land nach Ansicht des Wirtschaftsministers nicht verzichten. Und dafür ist er bereit, kräftig zu zahlen.

Um zu garantieren, daß Michael Schumacher und die anderen Renngrößen beim Großen Preis von Portugal ihren Runden drehen, übernahm der Staat 51 Prozent der Anteile an der Besitzer- Gesellschaft der Rennstrecke und ebenfalls 51 Prozent an der Betreibergesellschaft, die dafür sorgen soll, daß das Rennen läuft.

In diesem Jahr läuft es nicht. Die Internationale Automobilsport-Föderation (FIA) sagte im Frühjahr den Großen Preis von Portugal ab. Sie hält eine Modernisierung der Rennstrecke für dringend erforderlich. Allerdings hielt die FIA ein Trostpflästerchen parat: Wenn bis Ende des Sommers die ersten Modernisierungsarbeiten abgeschlossen seien, könne in Estoril im November ein Zusatzrennen zum normalen Weltmeisterschaftsprogramm stattfinden, vorausgesetzt, die Formel-1- Teams stimmen dem zu.

An diesen FIA-Strohhalm klammerte sich die portugiesische Regierung und tat alles, um mit der Modernisierung der Strecke zu beginnen. Dies war der Besitzerin der Rennstrecke, der Firmen-Gruppe Grão Pará, jedoch nie ein Anliegen. Ein einziges Formel-1-Rennen im Jahr plus diverse Testrunden von Schumacher und Co. brachten ihr kein großes Geschäft. Das machen über Werbeeinnahmen und Fernsehlizenzen die FIA und ihr lokaler Statthalter, der portugiesische Automobilclub (ACP).

Grão Pará hatte mit der Rennstrecke anderes im Sinn. Die Firmengruppe benutzte sie als Druckmittel: Die von der FIA geforderte Modernisierung werde es nur geben, wenn die Regierung einen Weg zu einem Steuererlaß in Millionenhöhe bahne. So stieg der Staat ein beim Autodrom von Estoril und einigte sich mit Grão Pará auf die 51-Prozent-Beteiligung. Ferner übernimmt der Staat von der Firmengruppe ein 1995 Pleite gegangenes Hotel auf Madeira. Als Gegenleistung wurden Grão Pará Steuerschulden von insgesamt 200 Millionen Mark erlassen. Ein Bombengeschäft für die Firmengruppe – zumal der Staat nur 15 Jahre beteiligt bleibt und danach die Rennstrecke wieder Grão Pará allein gehört.

Obwohl sich Portugal so ins Zeug gelegt hat für die Formel 1, winkte die FIA dann doch ab: Die Mehrheit der Teams wollte von einem zusätzlichen Weltmeisterschaftslauf am Ende eines anstrengenden Grand-Prix-Jahres nichts wissen. Erst 1998 soll in Portugal wieder ein Formel-1-Rennen gefahren werden. Vorausgesetzt, die FIA ist zufrieden mit der Streckenmodernisierung. Die wird den portugiesischen Staat weitere zehn Millionen Mark kosten. Theo Pischke