Hitze statt Energie

Nach dem 2:0 gegen Aufsteiger Cottbus dämpft Freiburgs Coach Volker Finke aufkeimende Euphorie  ■ Von Ulrich Fuchs

Umständlich legte Torhüter Wehner den Ball am Abstoßpunkt zurecht. Bedächtig ging er Schritt für Schritt zurück, um zum langen Abschlag auszuholen. Blieb schließlich stehen, zupfte sich am Sweater und schien noch einmal über den Sinn des Fußballspiels im allgemeinen und an schwül-heißen Sommersonntagnachmittagen im besonderen nachzudenken. Oder war es einfach nur Ratlosigkeit? Oder instinktive Cleverness?

Schiedsrichter Fandel war es egal. Ein schriller Pfiff und strenge Worte ermahnten den zögerlichen Keeper zur zügigen Fortsetzung der Partie. Eine kleine, unscheinbare Szene, die unendlich oft zu beobachten ist auf Fußballplätzen. Aber beim Saisonauftaktspiel zwischen dem Sport-Club Freiburg und Energie Cottbus war sie aussagekräftiger als vieles andere, was sich in 90 Minuten auf dem Platz ereignete.

Genau 60 Minuten waren gespielt, als sich der beste Spieler von Cottbus den Rüffel des Referees abholen mußte – eine knappe Viertelstunde, nachdem der SC Freiburg durch ein Kopfballtor von Schwinkendorf die 1:0-Führung erzielt hatte. Paradox: Die Spielverzögerung bei eigenem Rückstand, ein im Fußball gänzlich ungebräuchliches Stilmittel, machte zu diesem Zeitpunkt durchaus Sinn. In der Hitze des Freiburger Nachmittags hatte die Partie Züge eines Stierkampfs angenommen. Immer unbeholfener stampften die Cottbuser Akteure durch die Arena, wurden aus der Verteidigung gelockt, mit Finten in die Irre geführt, elegant ausgetanzt und waren fast hilflos nur noch darauf bedacht, nicht den entscheidenden zweiten Treffer zu kassieren. Vergeblich: Stürmer Wassmer sorgte mit dem 2:0 in der 75. Minute für endgültige Klarheit.

Zumindest für diesen ersten Zweitliga-Arbeitstag. Jetzt darf das muntere Rätselraten weitergehen. Wo steht die Freiburger Mannschaft nach dem Abstieg und dem anschließenden radikalen Umbruch. Freiburgs Trainer Volker Finke mühte sich hernach in der euphorisierten Atmosphäre redlich um Zurückhaltung: „Es war das erste Spiel – nicht mehr, aber immerhin.“ Und auch mit seiner zweiten Erkenntnis konnte der Cheftrainer die Beobachter der Partie nicht mehr überraschen: „Ich habe auf dem Platz Spieler gesehen, die Spaß am Fußball haben.“ Die Akteure von Cottbus konnte Finke damit nicht gemeint haben. Für sie war die hohe Konzentration an Freiburger Spaßfußballern eher eine böse Überraschung. Weil Verletzungsprobleme (Buric, Müller) die Defensivabteilung der Breisgauer plagten, hatte Finke einen ungewöhnlichen taktischen Schachzug gewagt. Im zentralen Mittelfeld spielten mit Weißhaupt, Baya und Pavlin drei Akteure, die vor ihrem Wechsel nach Freiburg die Rolle des Spielgestalters hinter den Spitzen eingenommen hatten.

Die Folge war das, was Cottbus- Trainer Eduard Geyer verharmlosend „eine spielerisch stärkere Freiburger Mannschaft“ nannte. „Spielentscheidend“, glaubte Geyer, sei aber die gelb-rote Karte gewesen, die sein Spieler Jörn Lenz schon nach 35 Minuten gesehen hatte, nachdem er Wassmer mit einem rüden Griff ans Trikot von den Beinen geholt hatte. Aber auch sie hatte tatsächlich wenig Erklärung dafür geboten, warum seine stark defensiv agierende Elf in der zweiten Hälfte gegen die Freiburger nicht nur spielerisch, sondern auch läuferisch rettungslos ins Hintertreffen geriet.

Immerhin: Nicht nur dank der Verzögerungstaktik von Torhüter Wehner kam man beim Zweitliga- Debüt noch mit einem blauen Auge davon. Gleich serienweise vergaben die Freiburger klarste Möglichkeiten, und auch Trainer Finke monierte später: „Mit Chancen sind wir reichlich freizügig umgegangen.“ Die Freude von Miran Pavlin (Finke: „Die angenehmste Überraschung“), der im defensiven Mittelfeld eine starke Partie geboten hatte, konnte das auch nicht mehr trüben. Und der Mann, der aus Dresden nach Freiburg gekommen war, hatte auch eine Erklärung für den körperlichen Einbruch der Cottbuser Kontrahenten parat: „Das Wetter.“ Das Wetter? „In Cottbus ist es nicht so heiß wie hier, da regnet es mehr.“