Hilfe in der Verwaltung abgesoffen

Die Bewohner der Kölner Altstadt wurden schon vor drei Jahren Opfer einer Überschwemmung. Sie wissen: Die noblen Versprechen auf unbürokratische Unterstützungen sind oft haltlos  ■ Von Nicol Ljubic

Ursula Rapps Stimme bebt noch immer, wenn sie über das Hochwasser sprechen soll – dabei liegt das Ereignis schon zweieinhalb Jahre zurück. „Man verdrängt das“, sagt sie, zumal sie „die Wochen nach dem Hochwasser ja wie in Trance gelebt“ habe. Ihr Kölner Hotel „Dreikronen“ stand gleich zweimal unter Wasser, im Dezember 1993 und im Januar 1995. Der Schaden: 800.000 Mark.

Damals versprach die Bundesregierung unbürokratische Soforthilfen und zinslose Kredite für Wassergeschädigte. Den Menschen an der überfluteten Oder müßte es bekannt vorkommen: Auch für sie beschloß das Bonner Kabinett kürzlich zinsverbilligte Darlehen in einer Gesamthöhe von 200 Millionen Mark. Finanzminister Theo Waigel versprach zudem, mit den Bundesländern über steuerliche Hilfen für die Geschädigten zu verhandeln.

Was das heißt, darüber können die meisten Bewohner der Kölner Altstadt nur den Kopf schütteln. Damals führte der Weg zum Geld über die Hausbank. Dort bekamen Geschädigte wie Ursula Rapp einen Packen Formulare in die Hand gedrückt, die sie auszufüllen hatten mit einer detaillierten Auflistung der Schäden und ihres Besitzes. „Aber wer hat schon Sinn für Formulare“, sagt Ursula Rapp, „als erstes versucht man doch, sein Haus zu retten und den Schlamm vom Sofa zu kriegen.“

Hans Flock, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Altstadt, weiß, daß die Hoteliersfrau nicht die einzige war, die unter der nachflutenden Bürokratie leiden mußte. Denn die „Formulare waren für einen nicht bankgeschulten Menschen doch viel zu kompliziert“. 384 Bewohner der Kölner Altstadt haben sich schon nach dem ersten Hochwasser 1993 zusammengeschlossen. „Ohne Hilfe bei den Anträgen wäre den meisten die Luft ausgegangen“, sagt Flock. Denn man durfte nicht schreiben, daß „man bankrott ist“, sagt Flock, „weil dann die Banken aus Angst, ihr Geld nie wiederzusehen, keinen Kredit vergeben wollten“. Doch wer zuviel Besitz angab, bekam auch kein Geld, weil er ja nicht wirklich bedürftig war.

Der Inhaber der Gaststätte „Martinswinkel“, die direkt am Rheinufer gelegen ist, bekam nach dem ersten Hochwasser ein Darlehen über 150.000 Mark bewilligt. Doch das Geld kam nicht – weshalb der Gastronom seine Kneipe auf eigene Kosten sanierte. Dann kam das zweite Hochwasser – und er war endgültig pleite. Die Bank stoppte nachträglich den Kredit – aus Angst vor dem Risiko. Der Wirt mußte aufgeben.

Bis zu vier Monate mußten die Altstädter 1995 auf ihr Geld warten. Ging es um hohe Summen, mußte der Antragsteller sogar vor der eigens eingerichteten Landtagskommission im Düsseldorfer Landtag erscheinen und seinen Antrag begründen. Insgesamt hatte die Interessengemeinschaft gut eine Million Mark beantragt. Genehmigt wurde schließlich nur die Hälfte.

Einen Schaden von 1,2 Millionen Mark hatte allein Pierangelo Marzorati nach dem Hochwasser von 1993. Sein Hotel „Lyskirschen“ stand 60 Zentimeter unter Wasser. „Was half mir ein zinsloser Kredit“, sagt er enttäuscht, „ich mußte ihn doch sowieso zurückzahlen.“ Den Antrag, den er 1994 dennoch stellte, ist noch nicht entschieden – drei Jahre danach. Mittlerweile hat er sich selbst geholfen und sein Hotel mit Rückstauventilen bis zur Höhe von 11,30 Metern rheindicht gemacht – 300.000 Mark hat ihn das gekostet.

Auch Marzorati ist Mitglied der Interessengemeinschaft. Ihr neuer Plan: Mit 350.000 Sandsäcken will sie die Kölner Altstadt schützen. Sie muß ohne öffentliche Gelder auskommen. Die Stadt Köln wird die Spundwand erst im Jahr 2003 erneuern. Die Bewohner aber rechnen täglich mit dem Ernstfall. Für die guten Worte, die Finanzminister Waigel nun für die Bewohner an der Oder einlegt, hat Hans Flock nur wenig übrig. „Auch der kann die Bürokratie nicht ändern“, sagt er.