Eine Torte zum falschen Geburtstag

Ist Perus Präsident Alberto Fujimori ein Geburtstagsschwindler, der laut Verfassung gar nicht Staatschef sein darf? Am Nationalfeiertag lobt Fujimori sich selbst und will von Krise nichts hören  ■ Von Ingo Malcher

Buenos Aires (taz) – Von solchen Maßen träumt jedes Kind: Sechs Tonnen schwer, neun Meter lang und zwei Meter breit war die Geburtstagstorte des peruanischen Präsidenten Alberto Fujimori. Mehr als tausend Menschen waren auf die Plaza Mayor in Lima gekommen, um den Geburtstag des Präsidenten zu feiern, und Fujimori bedankte sich für die „moralische Unterstützung“.

Die hat er dringend nötig. Denn die Opposition versalzte ihm den Geburtstagskuchen vergangene Woche ganz gehörig, als die Zeitschrift Caretas und ein Fernsehmagazin Dokumente veröffentlichten, die in Zweifel ziehen, daß Fujimori in Peru geboren wurde. Das Problem für den Kummer gewohnten Präsidenten: Gemäß der Verfassung muß in Peru geboren sein, wer Präsident des Landes werden will. Und mehr noch: Während Fujimori in alle Geburtstagskalender den 28. Juli eintrug, den peruanischen Nationalfeiertag, behauptet die Zeitschrift, tatsächlich hätte Fujimori erst am 4. August das Licht der Welt erblickt.

Was eigentlich jedes Jahr dasselbe Spiel ist, sah dieses Jahr dann auch so aus, als wolle er es noch einmal allen zeigen, wie sehr er Peruaner ist. Auf dem Weg zu seiner vielerwarteten Feiertagsansprache schmückte Fujimori am Montag seinen Anzug mit dem Rot-Weiß der peruanischen Flagge. Mit ernstem Gesicht stieg er die Treppe des alten Kongreßgebäudes hoch, vorbei an den in der Sonne schwitzenden Soldaten. Viele hatten erwartet, daß Fujimori zu den Skandalen Stellung nehmen werde, die das Land in den letzten Wochen heimgesucht hatten. Einiges wäre zu klären gewesen: die Aberkennung der Staatsbürgerschaft des Fernsehchefs Baruch Ivcher, der Abhörskandal und die Folter und Ermordung von ehemaligen Mitarbeitern des Geheimdienstes. Doch über all dies verlor Fujimori kein Wort.

Statt dessen wartete er mit großen Versprechungen auf. 50.000 neue Wohnungen will er für die Mittelklasse bauen, die Steuern senken und den Staatsbeamten 15 Prozent mehr Lohn ausschütten. Wie er das finanzieren will, bleibt sein Geheimnis. Denn der Internationale Währungsfonds (IWF) hat Peru eine radikale Spartherapie verordnet, um das Haushaltsdefizit herunterzufahren.

Fujimori feierte sich voller Überzeugung. „Unter den aktuellen Umständen scheint sich ein bemerkenswerter Widerspruch aufzutun“, sagte er. Einer „stabilen, wachsenden Wirtschaft“ stehe eine „konfuse politische Konjunktur“ gegenüber, beschwerte sich Fujimori über die Stimmung im Land. Bei seiner Wiederwahl im Jahr 1992 hatte er noch 64 Prozent der Stimmen abgesahnt. Heute stehen nach neuesten Umfragen gerade noch 19 Prozent der Peruaner hinter ihm. Mit den Zweifeln an der Staatsbürgerschaft Fujimoris ist der Opposition in Peru ein perfekter Coup gelungen, nachdem die Regierung ihrerseits dem Chef des kritischen Fernsehsenders „Frecuencia Latina“ die Staatsbürgerschaft und damit die Mehrheitsanteile an dem Sender entzogen hatte. Schlimmer noch: Alberto Fujimori soll sich die Staatsangehörigkeit mit Hilfe von professionellen Fälschern erschlichen haben.

Deutlich zu sehen ist, daß an seinem Taufschein herumretuschiert wurde. In die Zeile „Geburtsort“ wurde mit einem anderen Stift und in einer anderen Tintenfarbe „Miraflores (Lima)“ eingefügt. Was vorher dort gestanden hat, ist nicht mehr zu erkennen. Aber das ist nicht alles: Auf dem Einreisedokument der Mutter Fujimoris, Matuse Fujimori, im Jahr 1934 sind schon zwei Kinder eingetragen; diese könnten Rosa, die ältere Schwester, und Alberto gewesen sein.

In Caretas meldete sich zudem ein ehemaliger Verbündeter Fujimoris zu Wort, der 1990 im Wahlkampfteam Fujimoris mit an den Start ging. Der Soziologe Francisco Loayza sagte aus, daß ihm Fujimoris rechte Hand, der Geheimdienstberater Vladimiro Montesinos, gestanden hätte, „der Chino ist kein Peruaner, das ist gefährlich“. Als „Chino“ wird Fujimori wegen seiner japanischen Herkunft bezeichnet. Caretas hat sich mit der Untersuchung von Fujimoris Wurzeln vier Jahre Zeit gelassen. Der Chefredakteur der Zeitschrift, Enrique Zileri, meint zwar, daß die Dokumente „nichts über den Geburtsort beweisen“, aber einige Ungereimtheiten darin würden eine offizielle Untersuchung nahelegen.

Noch lächelt Fujimori, als er auf seinen 59sten anstößt – an dem von ihm angegebenen Geburtstagstermin. Er überschlägt sich fast, als er in ungewohnt emotionaler Manier auf der Plaza Mayor ins Mikrofon bläst, wie stolz er auf sein „Volk“ sei, das ihn sich so „glücklich fühlen läßt“. Das erste Stück der Torte geht dann auch an einen seiner Palastwächter; wer weiß, wie lange er noch Gelegenheit hat, als Präsident einen auszugeben. Aber Fujimori hat seinen Hals bisher noch aus jeder Schlinge gezogen.