Wer Gold gleich kiloweise kauft, bekommt Rabatt

■ Rußlands Regierung erlaubt Privatbanken, Goldbarren unlimitiert zu verkaufen

Vorbei sind die endachtziger Jahre, als die RussInnen angesichts leerer Regale schon im Morgengrauen vor den Juwelierläden Schlange standen. Wenn man schon nichts kaufen konnte, das praktisch zu gebrauchen war, dann sollte es wenigstens etwas sein, das nicht gammelt. RussInnen von der Straße aber durften Gold nun einmal in keiner anderen Form erwerben denn als Schmuckstück.

Heute sind in Rußland die Läden voll, aber viele BürgerInnen erreicht das ihnen zustehende Geld erst nach Monaten. Eben deshalb hat sich in diesem Juli auch die russische Regierung der weltweiten Welle des forcierten Goldverkaufes angeschlossen. Dank flauer Steuereinnahmen ist Vizepremier Boris Nemzow heute arg von Gesichtsverlust bedroht, nachdem er bei Amtsantritt Rentnern, Wissenschaftlern und Beamten versprochen hatte, bis Jahresende alles ihnen vom Staat Geschuldete nachzuzahlen. In ihrer Gier nach Geld warf die Regierung sogar das bisher heilige staatliche Gold-Handelsmonopol über die Hürde. Am 10. Juli legte als erstes russisches Geldinstitut die Bank Rossijski Kredit in ihrer Filiale in der Moskauer Twerskaja Uliza für die Privatbevölkerung Goldbarren aus. Die properen Täfelchen wogen 50 Gramm. Daß sie wenig Zuspruch fanden, könnte unter anderem an ihrem unverhältnismäßig hohen Preis gelegen haben. Während an jenem Tag an der Londoner Börse das Gold für 10,2 US-Dollar pro Gramm gehandelt wurde, kostete diese Menge auf der Twerskaja 18 US-Dollar. Nur wer hier das Gold als Kilobrocken erwarb, bekam Rabatt und zahlte lediglich 15 US- Dollar pro Einzelgramm. Einige würdige Finanziers der Moskauer Innenstadt kauften sich trotzdem je einen Barren – um vom Fernsehen gefilmt zu werden und zum Andenken an den historischen Tag.

Folge der Monopolaufgabe war auch ein Ukas Präsident Jelzins, der es Privatbanken erlaubt, in unlimitierter Menge Goldbarren zu exportieren. Die russischen Kommerzbanken müssen schon vorher davon Wind bekommen haben, denn sie erwarben schon bis Ende Juni bei den Fabriken, die das Gold aus dem Gestein lösen, über fünf Tonnen des blinkenden Metalls – soviel wie im ganzen letzten Jahr.

Und wenn auch die Hoffnung, den Staatshaushalt durch die neue Gesetzgebung aufzublasen, platzte wie ein goldener Traum, so hat jetzt dank der Privatbanken wenigstens eine Gruppe russischer Werktätiger Hoffnung auf ein wenig Bargeld: jene über dreihunderttausend Frauen und Männer, die in den Weiten Magadans, Tschukotkas und Jakutiens Jahr für Jahr einen Goldberg von über hundert Tonnen produzieren. Barbara Kerneck, Moskau