Pillen im Ausland billiger

■ EU-Kommission will Bonn zwingen, günstigere Reimporte zu erleichtern

Brüssel (taz) – In den meisten EU-Ländern sind Medikamente deutscher Hersteller wesentlich billiger als in Deutschland. Nach Ansicht der EU-Kommission ist die Bundesregierung daran schuld, weil sie Reimporte durch seltsame Auflagen behindert. Die Brüsseler Kommission will deshalb vor dem Europäischen Gerichtshof Klage erheben, wenn Bonn nicht innerhalb von zwei Monaten die Behinderungen beseitigt.

In Spanien etwa sind viele deutsche Pharmaprodukte um bis zu 50 Prozent billiger, sagte ein Sprecher der EU-Kommission gestern gegenüber der taz. Auch in Frankreich kosteten beispielsweise Antibabypillen weit weniger als in Deutschland, selbst wenn sie von deutschen Firmen hergestellt sind. Die deutschen Pharmaunternehmen nutzen die unterschiedliche Kaufkraft. Weil die Deutschen mehr Geld haben als viele andere Europäer, und weil in Deutschland außerdem die Krankenkassen den Großteil der Kosten übernehmen, können die Unternehmen höhere Preise verlangen. In Südeuropa dagegen müssen sie billiger anbieten.

Wenn die Regeln des Binnenmarktes eingehalten würden, müßten sich die Preise eigentlich angleichen. Denn niemand darf einen Händler daran hindern, die in Spanien vertriebenen Medikamente auch in Deutschland anzubieten. Davon würden nicht nur die Verbraucher, sondern auch die Krankenkassen profitieren. Doch unter dem Druck der Pharmalobby hat sich die Bundesregierung etwas Besonderes einfallen lassen. Sie verpflichtet die Händler, reimportierte Medikamente neu zu verpacken. Selbst auf der Zwischenverpackung, in der etwa Pillen eingeschweißt sind, muß nach deutscher Vorschrift der Händlername aufgedruckt sein. „Das geht meist nur,“ so der EU-Kommissionssprecher, „wenn die Pillen einzeln herausgelöst und neu eingeschweißt werden.“ Auf diese Weise werden die Kosten hochgetrieben, damit der Pharmaindustrie die ungeliebte Konkurrenz durch die eigenen Produkte vom Leib gehalten wird.

Nach Ansicht der EU-Kommission verstößt die Bundesrepublik damit gegen EU-Gesetze, die einen freien Handel innerhalb der EU vorschreiben. Trotz wiederholter Aufforderung hat sich Bonn bisher beharrlich geweigert, die Vorschriften für Reimporte aus anderen EU-Ländern zu lockern.

In dieser Woche hat die EU- Kommission nun beschlossen, gegen die Bundesrepublik ein Verfahren wegen Verletzung des EU- Vertrags einzuleiten. Heute soll die Entscheidung in Brüssel bekanntgegeben werden. In Bonn wird nun verzweifelt nach einer Begründung gesucht, warum die Beschriftungsvorschrift unbedingt notwendig sei. Die Regelung sei im Interesse der Verbraucher, heißt es, der wissen müsse, wer das Medikament vertreibt. Die EU-Kommission ist anderer Ansicht: Für den Verbraucher sei der Hersteller wichtig, der Händlername sei eher irreführend. Alois Berger