Die Anti-Ullrichs des Fußballs

Zum heutigen Start in die neue Bundesligasaison präsentiert die taz einen Leitfaden, der es den Fußballfreunden erleichtern soll, ihre Sympathie nicht den falschen Vereinen zukommen zu lassen  ■ Von Christoph Biermann

Die Tour de France war einfach. Wie die Graugans auf Konrad Lorenz schaute, konnte der Zuschauer am gelben Trikot von Jan Ullrich den notwendigen Halt finden. So einfach ist es im Lande Fußball leider nicht. Woran sollen sich Neuankömmlinge dort orientieren? Und vor allem: woran nicht? Der taz- Guide sagt, wer die Anti-Ullrichs der neuen Saison sind.

München 1860

Präsident Wildmoser und Trainer Lorant wollen harte Knochen sein, haben die Geschichtsbücher aber nur bis etwa 1860 gelesen. Halten Manchestertum daher für das Gebot der Stunde, liebäugeln aber mit Sklaverei und gehen von der Mehrheitsfähigkeit ihrer Überlegungen aus, weil die Sechziger ein „Volksverein“ sind.

Borussia Dortmund

Spielte in der Sommerpause „Das Leben ist eine Baustelle“ und meint, am Ende müßte da eine Börse stehen. Während die bayerischen Rivalen aus München tapfer das Kapitalistenschwein geben, versucht sich der BVB beim Dreh an der Geldschraube die Finger nicht dreckig zu machen. Dabei aber nicht elegant wie Tony Blair, sondern so holprig wie Gerhard Schröder.

Energie Cottbus

Nur Hohlköpfe halten Ede Geyers Treter-Kolonnen für sympathische Underdogs. Statt Aufschwung Ost darzustellen, erzählt der vom rassistischen Mob auf den Rängen angestachelte Meuchelfußball von Trostlosigkeit und Leere. Jule, sag doch was!

Hertha BSC

So einen Unsinn hätte vor fünf Jahren jeder Lektor direkt in den Papierkorb gefegt. Doch das Hertha- Drehbuch ist wahr geworden: Mediengigant öffnet die Kriegskasse, alle stimmen dazu das Hauptstadt- Gewimmere an, und die Marketingmaßnahme landet sogar in der Bundesliga. Wer kann das wollen? Natürlich Walter Jens, der Trottel. Er will nun nicht mehr Freiburg-, sondern Hertha-Fan sein. Dabei wäre sogar Bayer Leverkusen die bessere Wahl gewesen.

Arminia Bielefeld

Auch Manager Lamm gibt gerne den Rüpel. Will mit Hilfe des iranischen Torjägers Ali Daei die Scharia in der Bundesliga durchsetzen. Dabei sollte auf der Alm erst mal Alkoholverbot eingeführt werden, denn die zweitunsachlichsten Anhänger der Liga torkeln sogar in den VIP-Boxen. Was aber nichts ist im Vergleich mit dem:

1. FC Kaiserslautern

Wahnsinnige (Pfälzer) übergeben einem Wahnwitzigen (Rehhagel) die Regentschaft über das, was sie für einen heiligen Berg (Betzenberg) halten. Dort reisen sie alle zwei Wochen aus abgelegenen Tälern und anderweitig trostlosen Landstrichen an. Drehen dann eineinhalb Stunden lang durch. Von der rheinland-pfälzischen Landesregierung als Therapieprojekt erschreckend großzügig unterstützt.

Waldhof Mannheim

Nachtreten gilt eigentlich nicht, hier aber die Ausnahme. Wer jahrelang das Fähnchen reaktionären Mauerfußballs hochgehalten hat und den Pepitahut-Propagandisten Klaus Schlappner nicht in China läßt, muß am Ende für seine Sünden in der Regionalliga Süd schmoren. Aber wir wollen nicht nachtragend sein: Möge Trainerphilosoph Uwe Rapolder die Erlösung herbeiführen.

Hannover 96

Die Roten, die Roten, das sind die Idioten! Ziemlich blöde den Aufstieg in die zweite Liga zu verpassen, mag vielleicht noch angehen. Aber angesichts einer Volksbewegung von über 8.000 Zuschauern im Schnitt der Regionalligasaison, mehr als 50.000 Besuchern in der Relegation gegen Cottbus und fetten Fernseheinnahmen doch noch in siebenstelliger Höhe Miese zu machen, mit so einer Haushaltsführung dürfte der Klub nicht einmal die Chaostage organisieren.

Werder Bremen

Geben auf dem Rasen beharrlich bleierne Zeiten ab. Damit die Zuschauer im Weserstadion vor Langeweile nicht tot umfallen, rufen sie nach Otto Rehhagel, was wiederum so deprimierend ist, daß man sich seinen Platz in einer der vielen VIP-Logen wünscht, um dort im Fernsehen ein anderes Spiel zu gucken.

Bor. Mönchengladbach

Nostalgischer Schrott, der von in die Jahre gekommenen Ex-Studis hochgehalten wird. „Freiheit, Aufbruch, lange Haare“, raunt es da, während Effenberg und Gattin im Rahmen einer Vorgartenaktion den Besonnenen im Blumenbeet maßregelten. Kompletter Etikettenschwindel, wie auch die vermeintlich silbernen Trikots, die bestenfalls silbrig glänzen.